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Neue Schweizer «Tatort»-Folge Dieser «Tatort» geht buchstäblich unter die Haut

In der dritten Zürcher «Tatort»-Folge «Schattenkinder» hält ein Kunstkollektiv mit auffälligen Tattoos die Ermittlerinnen auf Trab.

Drei junge Gesichter blicken in die Kamera, der Reihe nach und vor schwarzem Hintergrund. Eine unsichtbare Hand bewegt sich mit einer vibrierenden Tondeuse auf ihre Köpfe zu: Die Haare fallen. Die Kahlgeschorenen wirken gelassen, seltsam befreit. Ihre körperliche Mutation hat erst gerade angefangen.

Die drei Menschen sind gerade einer radikalen Gruppe beigetreten. Allerdings nicht in der links- oder rechtsextremen Szene. Sondern einem Kunstkollektiv: Eine Künstlerin namens Kyomi (Sarah Hostettler) befreit die Mitglieder ihres Kollektivs durch Transformationsprozesse von ihren Traumata. Sie gewährt ihnen neue Identitäten – fast wie in einer Sekte.

Eine Frau mit kurgeschorenen haaren, Tattoos im Gesicht und schwarzen Augäpfeln.
Legende: Neue Mitglieder des Kollektivs setzen sich auf sichtbare Weise mit ihren inneren Dämonen auseinander. SRF/Sava Hlavacek

Kunst zwischen Faszination und Verachtung

Ein bizarrer Leichenfund verwickelt die beiden Zürcher Kapo-Ermittlerinnen Tessa Ott und Isabelle Grandjean in das unheimliche Projekt. Damit betreten sie völliges Neuland. Die identitätsumbildende Form von Konzeptkunst ist nicht nur der Hintergrund von Otts und Grandjeans Recherchen. Sie wirft die beiden Kommissarinnen auch auf sich selbst zurück.

Die Regisseurin Christine Repond formuliert es wie folgt: «Es war unser Ziel, Kyomis Subkultur so zu erzählen, dass sie auf der einen Seite beunruhigend, aber zugleich auch ästhetisch und faszinierend ist. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in der Haltung der Ermittlerinnen. Tessa Ott ist von Kyomis Kunst fasziniert, Isabelle Grandjean reagiert darauf mit Verachtung.»

Die beiden Ermittlerinnen beim Schönheitschirurgen.
Legende: Spieglein, Spieglein... Das Ermittlerduo ermittelt auch bei einem dubiosen Schönheitschirurgen. SRF/Sava Hlavacek

Betonte Thriller-Atmosphäre

Für Regie, Kamera, Ausstattung, Maske und Kostüm bot das ungewohnte Kunst-Setting die Chance, sich von behäbiger TV-Krimi-Ästhetik abzuheben. Diese Chance hat das Team genutzt und setzt stärker auf unheimliche Thriller-Elemente.

Repond relativiert: «Neben den Genre-Überlegungen fand ich aber vor allem essenziell, dass wir eine Geschichte über Menschen, das Suchen und Scheitern erzählen, die das Publikum bewegt.»

Zürcher Tatort: «Schattenkinder»

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SRF zeigt die Tatort-Premiere kommenden Sonntag, den 13. März, ab 20.05 Uhr auf SRF 1 .

«Schattenkinder» steht ab dem Zeitpunkt auch auf Play SRF und dem Streaming-Dienst Play Suisse zur Verfügung.

Nicht zum ersten Mal erzählt der Zürcher «Tatort» vom Ausstieg aus der Gesellschaft. Von einer jungen Generation, die mit dem sauberen, reichen Zürich bricht. Aber es überrascht dann doch, mit welcher Deutlichkeit und Unumkehrbarkeit das hier geschieht.

Sein altes Ich überwinden

Christine Repond sagt dazu: «Die erste Fassade, die ein Mensch hat, ist sein Gesicht. Die beiden Drehbuchautorinnen Stefanie Veith und Nina Vukovic waren fasziniert von dem Gedanken, dass man Menschen zu Kunstobjekten macht und genau diese Fassade verändert, gar zerstört.» 

Die Ermittlerinnen in einer Auto-Werkstatt.
Legende: Die Ermittlungen gehen in viele Richtungen – auch zu einem Kindheitsfreund des Toten. SRF/Samuel Schalch

Damit trifft Repond den Kern, die Qualität von «Schattenkinder»: Die Folge handelt jenseits von herkömmlichen Verdachtsmomenten, Interessenskonflikten und Mordmotiven unbeschönigt von Verzweiflung. Von Schmerz und einem quasi-suizidären Drang, sein altes Ich hinter sich zu lassen.

Wobei «Schattenkinder» – ohne zu viel über die Intrige zu verraten – auch die Ironie nicht ausblendet, dass man als Teil eines international beachteten Performance-Projekts womöglich genau wieder an dem Ort landet, vor dem man hat fliehen wollen: auf einem Kunstmarkt, dessen Geldströme nicht unerbittlicher fliessen als anderswo.

SRF 1, Tatort, 13.03.2022, 20:05

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