1882 ist die New Yorker Gesellschaft im Umbruch: Alteingesessene wohlhabende New Yorker Familien schlagen sich mit Neureichen rum, die ihr Geld zum Beispiel mit Eisenbahnen verdienten haben und unbedingt Teil der High Society werden wollen. Der alte Geldadel will von den Neuen nichts wissen.
Das arme Mädchen vom Land
In dieses Spannungsfeld kommt die junge Marian (Louisa Jacobson) aus Pennsylvania. Ihr Vater ist gestorben und hat ihr nichts hinterlassen.
Deshalb ist Marian völlig mittellos und muss bei ihren Tanten Ada Brook (Cynthia Nixon) und Agnes van Rhijn (Christine Baranski) im fernen New York unterkommen. Die haben jede Menge Dollars, sind aber nicht begeistert davon, dass sie Marian aufnehmen müssen.
Historische USA, aber ohne Cowboys
Die Serie begibt sich historisch auf popkulturelles Neuland: Filme und Serien, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts spielen, sind fast immer Dramen über coltschwingende Kuhhirten und die Kriege gegen die indigenen Nationen.
Aber diese Zeitspanne steht für viel mehr. Als «Gilded Age» bezeichnet die Geschichtswissenschaft die Zeitspanne zwischen circa 1870 und 1900 in den USA.
Ära des Wachstums
Die Industrialisierung der USA schritt in dieser Zeit rasch voran. Elektrische Beleuchtung kam auf, die Eisenbahn wurde das Verkehrsmittel des Landes.
Männer wie Meyer Guggenheim, J.D. Rockefeller oder Andrew Carnegie kamen zu riesigen Vermögen. Gewerkschaften bildeten sich, es gab massive Streiks.
New York City wuchs von knapp eineinhalb auf gut drei Millionen Bewohner. «The Gilded Age» spiegelt diese Veränderungen wider.
Die Serie «Gilded Age» schaut nicht nur auf das weisse Amerika. Denn Marian kommt nicht alleine nach New York. Sie bringt die junge Afro-Amerikanerin Peggy mit, mit der sie sich auf ihrer Reise angefreundet hat.
Was kam nach dem Bürgerkrieg?
Afro-amerikanische Geschichte in der Ära wurde auch bisher kaum in Film und Serien behandelt. Sklaverei und Bürgerkrieg sind durchaus Thema, aber was in den Folgejahrzehnten geschah, wurde von Hollywood selten thematisiert.
Afro-amerikanische Mittelschicht
«The Gilded Age» konzentriert sich auf die kleine schwarze Mittelschicht, die sich nach der Sklavenbefreiung gebildet hatte. Diese neue schwarze Elite ist eine historische Tatsache, von der kaum jemand etwas weiss.
Auch Marian in der Serie nicht: Wie die meisten Weissen im späten 19. Jahrhundert kann sie sich nicht vorstellen, dass es auch eine schwarze Klassengesellschaft gibt. In ihrer Vorstellungswelt gibt es nur arme Afro-Amerikaner. Daraus entwickelt sich eine der amüsantesten Szenen.
Als Marian überraschend ihre Freundin Peggy zuhause bei ihren Eltern besucht, bringt sie ein paar gebrauchte Schuhe mit, weil sie glaubt, dass ihre Freundin kein Geld für neue hat. Ein völlig deplatziertes Geschenk, wie sich herausstellt.
Denn Peggys Vater ist Apotheker, ihre Mutter Klavierlehrerin und sie leben in einem Haus mit eigenem Personal. Die Ausdrücke «peinlich berührt» und «dumm aus der Wäsche gucken» umschreiben nur unzureichend Marians Reaktion, als sie mit den alten Latschen vor der Familie steht.
Von «Downton Abbey» ins «Gilded Age»
«The Gilded Age» stammt aus dem Kopf von Julian Fellowes. Er ist der Erfinder der legendären britischen Serie «Downton Abbey», jenem dramatischen und zugleich heiteren Geplänkel über den Grafen und die Gräfin von Grantham, ihre Familie, ihre Zofen und Butler.
Vieles davon findet sich auch in «The Gilded Age», ohne aber die Leichtigkeit und Lässigkeit von «Downton Abbey» ganz zu erreichen, die sicher Vorbild war.
«The Gilded Age» ist härter, es geht mehr um urbanes Leben, gesellschaftlichen Wandel, sozialen Aufstieg, und Rassismus. Die Serie hat elegante und ironische Dialoge, schöne Kostüme und ist historisch so interessant, dass man gleich die Stadtgeschichte von New York City lesen möchte.