Der Retro-Wecker klingelt und läutet den 20'000. Lebenstag von Nick Cave ein. Er steht auf und macht sich an die Arbeit. Er schreibt auf einer alten Schreibmaschine. Das Arbeitszimmer ist tapeziert mit Bildern seiner Fantasie. Das Tippen der Schreibmaschine klackert rhythmisch zur selbst komponierten Filmmusik. Nick Caves tiefe Kommentarstimme erzählt poetisch über seine Arbeit. Über die Geschichten in seinem Kopf. Über Helden und Monster, die er erfindet - und dass all diese Charaktere nur eine verzerrte Version seiner selbst sind.
Ein Überkünstler und seine Selbstwahrnehmung
Nick Cave an der Schreibmaschine – eine romantische Vorstellung des Rockstars bei der Arbeit. Ob das realistisch ist, wissen wir nicht. Denn die Regisseure Jane Pollard und Iain Forsyth schrieben zusammen mit dem Künstler das Drehbuch.
Nick Cave, bekannt als Musiker, ist ebenso Schriftsteller, Dichter, Schauspieler und Drehbuchautor. Seine Markenzeichen sind eine düstere Ästhetik und die Mystifizierung seiner Person. An diesem Image hält er fest. Deshalb vermischen sich Film und Fakt in «20'000 Days on Earth» zu einer Doku-Fiktion.
Prominente Fahrgäste
Der Film begleitet den Musiker einen Tag lang in seinem Künstlerleben. Besuch beim Therapeuten, Mittagessen mit dem langjährigen Bandkollegen Warren Ellis und Bandproben. Während Nick Cave von Termin zu Termin eilt, erscheinen auf dem Auto-Rücksitz vergangene Wegbegleiter. Sie sinnieren über alte Tage und verschwinden danach in seiner Erinnerung. Da taucht zum Beispiel Kyle Minogue auf oder sein ehemaliges Bandmitglied Blixa Bargeld, jetzt Frontman bei «Einstürzende Neubauten». Er erzählt, warum er nach 20 Jahren die Band verliess.
Fiktion und Fakt
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Auch wenn die Situationen gestellt sind, die Protagonisten sind echt und die Dialoge improvisiert. So entstanden authentische Gespräche mit humorvollen Wendungen. Mit jeder Etappe von Nick Caves Alltagsreise hat man das Gefühl, dem unnahbaren Künstler näher zu kommen. Bei einem inszenierten Therapiegespräch erzählt Nick Cave über seine Vergangenheit als Junkie, über den Tod seines Vaters, die Kindheit und über seine grössten Ängste.
Die Filmmusik
Musikalisch wird «20'000 Days on Earth» von den Songs aus dem neuen Album «Push the Sky Away» begleitet. Die Musik-Proben dafür ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film. Ein musikalisches Stilmittel mit praktischem Marketing-Effekt.
Nick Cave hat nichts dem Zufall überlassen. Entstanden ist zwar kein ungeschminktes Künstler-Portrait, aber ein stimmiger Film, der einen in die sonderbare Welt eines Künstlers mit blühend-düsterer Fantasie entführt.