Es ist ein Monsterprojekt im wahrsten Sinne des Wortes: der experimentelle Stop-Motion-Film «Mad God». Vor über 30 Jahren hat die Special-Effects-Koryphäe Phil Tippett mit der Arbeit am Film begonnen. Jetzt endlich schafft es die finale Fassung auf die Kinoleinwand am Filmfestival von Locarno.
Es ist das Werk eines verrückten Bastlers, ein Höllentrip durch eine vergammelte Unterwelt, in der wahnsinnige Wissenschaftler monsterhaften Fabelwesen die Eingeweide rausreissen. Nachvollziehbare Handlung? Fehlanzeige. «Mad God» ist ein Film gewordener Albtraum. Kein Werk fürs breite Publikum, eher eine Hommage von Tippett an sich selbst.
Ein Preis fürs Lebenswerk
Und darum geht es hier auch: eine Hommage an Phil Tippett, den 69-jährigen Amerikaner, der mit seinen Animationen und Effekten Filmgeschichte schrieb. Das Filmfestival von Locarno verleiht ihm deshalb einen Preis fürs Lebenswerk.
Dieses Werk dürfte auch Filmfans bekannt sein, die den Namen Phil Tippett noch nie gehört haben: «RoboCop», «Jurassic Park» und «Star Wars» gehören zu den Filmen, die er massgeblich geprägt hat. Und mit denen er ein riesiges Publikum erreichte.
Zwei Oscars
Für den ersten «Star Wars»-Film hat ihn Regisseur George Lucas bereits 1975 an Bord geholt. Für viel Aufsehen sorgte Tippett 1980 mit dem Sequal «The Empire Strikes Back». Er schuf dafür die Go-Motion-Technik, eine Weiterentwicklung der Stop-Motion.
Damit erweckte er unter anderem die «AT-AT Imperial Walkers» zum Leben, die vierbeinigen Killermaschinen des Imperiums. Drei Jahre später gewann er für «Return of the Jedi» seinen ersten Oscar.
Steven Spielbergs «Jurassic Park» trug ihm 1994 seinen zweiten Oscar ein. Mit dem Film prägte er unser Bild, wie sich Dinosaurier bewegen könnten. Er markierte zudem einen Wendepunkt in Tippetts Karriere.
Wechsel zur Computeranimation
Eigentlich hätte dieser die Dinosaurier mit seiner Go-Motion-Technik animieren sollen. Doch Spielberg war plötzlich angetan von einer neuen Technik: der Computeranimation (CGI). «Ich glaube, ich bin ausgestorben», soll Tippett gesagt haben. Doch er blieb als Leiter der Animationsabteilung des Films an Bord – mit Erfolg.
Es folgten zahlreiche weitere Hollywood-Produktionen, in denen seine Firma Tippett Studio für Animation und visuelle Effekte verantwortlich zeichnete – nun mit CGI: von «Starship Troopers» über «The Twilight Saga» bis zur neuen Marvel-Serie «The Falcon and the Winter Soldier».
Nur neun Leute verlassen den Kinosaal
Phil Tippett hat der Digitalisierung seines Handwerks jedoch nie viel abgewinnen können. Die Twilight-Filme nennt er sogar «crappy», Mist, aber er habe halt seine Brötchen verdienen müssen. Sein Herz schlägt noch immer für Stop-Motion. Das zeigt auch sein Grusel-Epos «Mad God», welches er nun in Locarno gut gelaunt und mit zerzaustem Haar und Bart präsentiert.
Es hätten nur neun Personen den Kinosaal während der Vorführung verlassen, sagt er beim anschliessenden Publikumsgespräch – er hat offensichtlich mitgezählt. Das ist wahrlich keine schlechte Bilanz bei diesem irrwitzigen Filmexperiment, bei dem er alte und neue Animationstechniken kombiniert.
Seine Bedeutung für die Filmkunst unterstreicht Phil Tippett mit einer Anekdote gleich selbst. Er habe als Jugendlicher in der Highschool ein Buch über Spezialeffekte geklaut, erzählt er, ein einflussreiches Standardwerk seiner Zeit. Viele Jahre später habe es eine Neuauflage des Buchs gegeben, und er habe festgestellt: «Ich bin auch drin!»