Nur einen Preis für den Publikumsliebling! Michael Steiners Komödie «Wolkenbruch» war für fünf Filmpreise nominiert, gewonnen hat aber einzig Joel Basman als bester Darsteller.
Schwere Filmkost
Die Mitglieder der Schweizer Filmakademie haben sich mal wieder gegen die Kassenschlager entschieden. Stattdessen gaben sie ihre Stimmen schwerer Filmkost, die deutlich weniger Zuschauer anlockte.
Denn mit gleich drei Preisen ist die Kapitalismus-Kritik «Ceux qui travaillent» der grosse Abräumer. Je ein Schweizer Filmpreis für bester Film, bestes Drehbuch und beste Darstellung in einer Nebenrolle.
Dabei ist der Film an den Kinokassen eher der Verlierer. Nur knapp 4700 Zuschauerinnen und Zuschauer wollten Hauptdarsteller Olivier Gourmet als Workaholic in «Ceux qui travaillent» sehen. Dagegen haben über 275’000 Leute erlebt, wie Joel Basman sich als junger orthodoxer Jude in eine Schickse verliebt.
Ein Spezialpreis für «Zwingli»
Das Historiendrama «Zwingli» – mit über 200’000 Zuschauern, nominiert in den Kategorien beste Darstellerin und bester Darsteller – wäre leer ausgegangen, hätte man dafür nicht extra den Spezialpreis fürs beste Kostüm und Szenenbild vergeben.
Ein ähnliches Bild bei den Dokumentarfilmen. Da hat «Chris the Swiss», den knapp 5200 Menschen gesehen haben, drei Preise gewonnen. Verlierer ist «#Female Pleasure»: über 50’000 Kinozuschauer, drei Nominationen, kein Preis.
Grossartige Sieger
Inhaltlich sind die Entscheidungen nachvollziehbar. «Ceux qui travaillent» ist ein beeindruckendes Drama über einen Karrieremenschen, der falsche Entscheidungen fällt.
«Chris the Swiss» überzeugt als faszinierender Mix aus Interviews, Archivaufnahmen und animierten Sequenzen. In dem Dokumentarfilm erforscht die Regisseurin Anja Kofmel die Hintergründe, die 1992 zum Tod ihres Cousins Chris im Jugoslawienkrieg führten.
Was sagt das Publikum?
Das Ganze ist ein Problem, das bei Filmpreisverleihungen allgemein auftaucht. Bei den Oscars etwa landen die Publikumslieblinge in den technischen Kategorien. Die Idee, die neue Kategorie «populärster Film» einzuführen, wurde verworfen. Dass der Superheldenfilm «Black Panther» als bester Film nominiert war, war eine Sensation.
Gut, der Schweizer Filmpreis ist nicht der Oscar. Trotzdem ist es wichtig, sich darüber Gedanken zu machen. Wäre es nicht an der Zeit, beispielsweise einen Publikumspreis einzuführen? Damit auch an der Kinokasse erfolgreiche Filme wie «Die kleine Hexe» oder «Papa Moll» bei der Verleihung gewürdigt werden könnten?
Für wen und warum?
Das hätte wahrscheinlich auch den positiven Nebeneffekt, dass das Interesse am Schweizer Filmpreis wachsen würde. Der ist ja immer noch ein Anlass, von dem unklar ist, für wen und warum er organisiert wird.
Will die Festlichkeit eine geschlossene Veranstaltung sein, die sich ausschliesslich ans Fachpublikum im Saal richtet? Oder eine Show, die mit bekannten Gesichtern und viel Entertainment bei der Öffentlichkeit Werbung für den einheimischen Film macht?
Zurzeit pendelt die Verleihung unentschieden zwischen beiden Ansätzen hin- und her. Dem Schweizer Filmpreis fehlt es leider an Promis, Glamour und eben auch an Filmen, die viele Menschen kennen.