Den Schweizer Filmpreis gibt es in elf Kategorien. In sieben davon war «Blue My Mind» nominiert. Drei Quartze sind nun bei Regisseurin Lisa Brühlmann und ihrem Team gelandet: jene für den besten Spielfilm, das beste Drehbuch und die beste Hauptdarstellerin.
Das ist ein weiterer Triumph für den Film, der seit seiner Uraufführung am Filmfestival von San Sebastián und der Schweizer Uraufführung am Zurich Film Festival im letzten Herbst von Preis zu Preis geflogen ist.
Dabei ist Mia, die von der sensationellen Luna Wedler gespielte Hauptfigur von «Blue My Mind», alles andere als ein Schätzchen.
Die Sache mit dem Goldfisch
Die 15-Jährige ist überfordert. In einer neuen Klasse, in einer neuen Stadt, fühlt sich Mia verloren und allein. Die Eltern werden ihr fremder denn je, ihre angehenden Freundinnen machen den Alltag zu einer permanenten Mutprobe.
Mit der ersten Periode verändert sich Mias Körper von den Füssen an aufwärts. Erst trinkt sie mitten in der Nacht gierig ein Glas Salzwasser in der Küche, später verschlingt sie zu ihrem eigenen Schrecken einen Goldfisch aus dem Aquarium ihrer Mutter.
Wenn man sich selbst fremd wird
«Blue My Mind» erzählt die Geschichte einer Verwandlung. Es ist zugleich die normalste Verwandlung der Welt. Jene, die jedes Kind in der Pubertät durchmacht: der verwirrende Übergang in die fremde und gefährliche Welt der Erwachsenen.
Aber es ist auch die radikalste und furchteinflössendste Phase im Leben der meisten Menschen. Der Moment, in dem Mia nicht nur ihren Eltern fremd wird, sondern für eine Weile auch sich selbst.
Dafür hat Lisa Brühlmann mit Mias allmählicher Verwandlung in ein fischschwänziges Wesen aus einem anderen Element – einem anderen Kino-Genre auch – das perfekte Bild gefunden.
Überzeugende Momentaufnahme
«Blue My Mind» ist eine Milieu- und Altersstudie mit Anleihen vom phantastischen Kino. Der Film ist ein eben so hybrides Wesen wie Mia selbst in ihrer Zeit des Übergangs.
Lisa Brühlmann hat für ihren Langspielfilm-Erstling viel recherchiert. Sie hat mit Teenies gesprochen (oder zu sprechen versucht, nicht alle seien darauf eingegangen), und so eine überzeugend aktuell wirkende Momentaufnahme erfasst.
Darin erkennen Zuschauerinnen und Zuschauer ihre eigenen Erinnerungen wieder – in der ganzen Irritierbarkeit und Fremdheit dieser ebenso verletzlichen wie aggressiven Gören.
Realistisch und phantastisch
«Blue My Mind» erschafft einerseits ein realistisches Teenager-Milieu mit überzeugenden jungen Darstellerinnen. Und Brühlmann findet filmische Bilder, die von einem enormen Talent zeugen.
Den Alltag mit seinem Lärm und dem Schrecken für Mia taucht sie mit ihrem Kameramann Gabriel Lobos in kalte blaue Bilder. Wenn die junge Frau im Schlaf oder im Traum in ihre eigene, andere Welt abtaucht, werden die Farben braungelb und warm.
Wie schon in ihren viel beachteten Kurzfilmen gelingen Brühlmann immer wieder schnelle, verdrehte, verblüffende Übergänge.
Wenig Publikum, viele Preise
Allerdings: Trotz der vielen Preise wollten im letzten November nur gerade 3374 Schweizerinnen und Schweizer «Blue My Mind» im Kino sehen.
Der Schweizer Filmpreis wird Blue My Mind» hoffentlich noch einmal zusätzliche Aufmerksamkeit bringen. Jedenfalls kommt der Film an diversen Orten erneut ins Kino.
Sendung: SRF zwei, Der Schweizer Filmpreis 2018 – Die Gewinner, 23.3.2018, 21.35 Uhr