«Der Film ist wie ein Schlag in die Magengrube», sagt Simon Jaquemet bei der Schweizer Premiere seines Films «Chrieg» am Zurich Filmfestival. Und tatsächlich sitzt das Publikum nach dem Film erst mal schweigend in den Sesseln. «Chrieg» ist keine leichte Kost.
Umerziehung auf der Alp
Der 15-jährige Matteo ist ein schwieriger Teenager. Er ist verschlossen, mürrisch. Einmal bringt er eine Prostituerte mit ins Elternhaus, einmal entführt er seinen Bruder, ein Baby, in den Wald. Und da ist auch diese Wut, die immer wieder aus dem schweigsamen Jungen herausbricht. Seine Eltern schicken Matteo in ein Erziehungscamp. Bei harter Arbeit in einer Berghütte soll er ein anständiger Junge werden.
Doch das Bootcamp in den Schweizer Bergen ist ganz anders. Drei weitere Jugendliche leben hier ausser Rand und Band in einer Art Hooligan-Kommune: die wohlstandsverwahrloste Aline, Dion, der aus Serbien stammt, und der undurchsichtige Anführer Anton. Matteo erlebt viel Gewalt, wird Teil einer Gruppe, die in ziel- und planloser Zerstörungswut gegen alles rebelliert, was ihnen begegnet.
Die Wut bleibt unerklärlich
Die Kamera ist immer ganz nah an den jungen Protagonisten, als wollte sie in ihre Köpfe schauen. Doch was sich in ihrem Inneren abspielt, geben die wütenden Jugendlichen nicht preis. Die meisten von ihnen leben im Wohlstand, doch interessiert sich niemand für sie. Bisweilen glaubt man, dass Matteo sich im Grunde nur nach Aufmerksamkeit und Zuneigung sehnt. Doch warum diese unendlich scheinende Wut in ihm steckt, bleibt letztlich unerklärlich.
Das ist die Schwierigkeit und zugleich die Stärke von «Chrieg»: Es sind keine liebenswürdige Figuren, denen man in die Berge folgt. Ihre Motive sind bestenfalls ansatzweise nachvollziehbar. Dadurch bleiben sie einem bis zum Schluss fremd – doch dass Jaquemet keine einfachen Antworten auf seine Fragen liefert, macht den Film eindringlich und verstörend. Denn auch wenn die Gewalt überbordet, glaubt man dem Film, dass es diese Menschen wirklich gibt.
Starke Laiendarsteller
Nach mehren Kurzfilmen und Musikvideos hat Simon Jaquement mit «Chrieg» seinen ersten Spielfilm realisiert, in dem er eine fesselnde Bildsprache gefunden hat. Seine Intensität verdankt der Film auch den Schauspielern. Es sind fast ausschliesslich Laiendarsteller, die in langwierigen Castings aus Tausenden ausgewählt wurden. «Chrieg» ist ein intensives Erlebnis – das sich zuweilen tatsächlich so anfühlt wie ein Schlag in die Magengrube.