Das Wichtigste in Kürze
- Und noch ein Preis für «Ma vie de Courgette»: Der Oscar-nominierte Animationsfilm von Claude Barras wird in Genf zum besten Schweizer Film des Jahres gekürt.
- Der Entscheid der Akademie, die Tragikomödie um einen Waisenjungen auszuzeichnen, ist kein mutiger – aber ein richtiger Entscheid mit Signalwirkung.
- Für «Ma vie de Courgette» gibt es an der grossen Gala in Genf noch einen zweiten Quartz: nämlich für den besten Soundtrack, den Sophie Hunger beigesteuert hat.
Blamage verhindert
Nein, eine Überraschung ist dieser Hauptpreis für «Ma vie de Courgette» wahrlich nicht. Bereits im Vorfeld lautete der Tenor: Wenn die animierte Tragikomödie um einen Waisenjungen nach all den erzielten Erfolgen im Ausland nun ausgerechnet in seiner eigenen Heimat übergangen wird, dann wäre das eine Blamage. Das ist natürlich ein zwängerisches Argument, aber letztlich folgerichtig.
Preise ohne Ende
Rekapitulieren wir, was «Ma vie de Courgette» in den letzten Monaten neben seinem Erfolg bei Publikum und Kritik an der Preisfront so alles erreicht hat.
Der Film war nominiert an den Oscars sowie an den Golden Globes, und er gewann zwei französische Césars für sein Drehbuch und als bester Animationsfilm.
Weitere Preise gab es am Filmfestival von Annecy, an den European Film Awards, am Zurich Film Festival, bei den Prix Lumières, in Melbourne, Bratislava, Portand und Warschau.
Deckel drauf?
Und jetzt hat «Courgette» also auch noch den Quartz, den Schweizer Filmpreis gewonnen. Zynisch könnte man einwenden: Der Quartz wurde damit einem Werk hinterhergeworfen, das diese Ehre schon fast nicht mehr nötig hat. Courgettes Trophäen-Vitrine dürfte nun komplett ausgefüllt sein.
Also Schluss jetzt mit Ehrungen für diesen Film, Deckel drauf, und das nächste Mal wieder einen unkonventionelleren Film prämieren, dem diese Auszeichnung auch wirklich über die Runden hilft.
Ein richtiger Entscheid
Doch das alles ist falsch gedacht. Es stimmt zwar, dass «Courgette» jetzt am Ende seiner Festival- und Preisverleihungsparade angekommen ist und auch in der kommerziellen Auwertung fast alle wichtigen Etappen bereits erfolgreich hinter sich hat.
Es stimmt ebenfalls, dass sich unter den anderen nominierten Filmen mutigere, relevantere und engagiertere Werke befanden, mit deren Wahl die Mitglieder der Schweizer Akademie ein stärkeres Zeichen hätte setzen können.
Aber trotzdem: Der Schweizer Filmpreis für «Ma vie de Courgette» ist nicht nur ein folgerichtiger, sondern auch ein schlicht richtiger Entscheid.
Signalwirkung
Vergessen wir nicht: «Ma vie de Courgette» war der einzige Animationsfilm unter den in dieser Kategorie nominierten Werken.
Das ist ein wichtiges Zeichen: Seit vor zehn Jahren das ehrgeizige Projekt «Max & Co» der Gebrüder Guillaume in ein finanzielles Desaster mündete, gelten animierte Langfilme in der Schweiz als Risikogeschäfte.
Gleichzeitig werden in unserem Land zahlreiche Animationsfilmschaffende ausgebildetet, die womöglich nicht ihr Leben lang in der Werbung oder für Unfallverhütungskampagnen arbeiten möchten: Für sie ist dieser Preis ein wichtiges Signal.
Positives Echo
Hinzu kommt, das «Ma vie de Courgette» nicht nur in Frankreich, England und Deutschland auf ein positives Echo gestossen ist, sondern – und das ist in diesem Zusammenhang wichtiger, weil selten – auch auf beiden Seiten des Röschtigrabens.
Wobei man hierzu einräumen muss, dass auch andere nominierte Filme dies probiert und bis zu einem gewissen Grad geschafft haben: Der im waadtländischen Payerne spielende «Un juif pour l'exemple» mit Bruno Ganz etwa.
Dialog mit der Jugend
Aber noch etwas hebt «Ma vie de Courgette» von den anderen Kandidaten dieses Spielfilmjahrgangs deutlich ab: Er erreicht nicht zuletzt Kinder und Jugendliche. Und die kommen im Schweizer Spielfilm und seiner Tendenz zum anspruchsvollen Autorenkino generell viel zu kurz.
In diesem Sinne ist der Quartz für «Ma vie de Courgette» auch ein Ausdruck des Willens der Schweizer Filmakademie, den Dialog mit der nächsten Generation zu suchen.