Mit Dokumentarfilmen wie «Siamo Italiani» von 1964, kulturpolitischen Initiativen und unzähligen Aufsätzen und Publikationen hat sich Alexander Seiler unermüdlich eingemischt in die «eigenen Angelegenheiten» der Schweiz.
In den 1960er-Jahren wurde in ganz Europa das Kino erneuert, in jedem Land begannen junge Filmemacher das Illusionskino der 1950er-Jahre auszumisten und mit dokumentarischen Ansätzen neue, durchaus politisch verstandene Ansprüche zu etablieren.
Alexander Seiler war einer dieser neuen Filmemacher. Er war 36 Jahre alt, als er 1964 mit dem Dokumentarfilm «Siamo italiani» ein heisses Eisen der Schweizer Politik aufgriff, an dem auch andere in jener Zeit herumschmiedeten: Die italienischen «Gastarbeiter», wie man sie damals nannte, jene Menschen, die gekommen waren, anstelle der Arbeitskräfte, die man gerufen hatte, wie es Max Frisch formulierte.
Aufregung statt Gelassenheit
Alexander Seiler filmte sie als Menschen und liess sie erzählen, sein Film brachte Tausende von Menschen dazu, hinzuhören und sich aufzuregen. Diese Aufregung über ungehörige Zustände war immer einer der Motoren von Alexander Seiler.
In seiner Kolumne in der Wochenzeitung hat sich der damals 79-Jährige noch über die Gelassenheit aufgeregt, die vor allem die Schweizer Medien seiner Meinung nach den Ungerechtigkeiten des Alltags entgegenbrachten.
Getrieben von Neugier
Entgegen der landläufigen Vorstellung war es nicht die Gelassenheit, die Seiler zu seinem langen Leben verhalf, sondern die Fähigkeit, sich wenn immer nötig aufzuregen.
Seiler hat schon in jungen Jahren international gedacht und Kontakte geknüpft, getrieben von Neugier und aufgeschlossen für Erfahrungen und Gedanken. Auch wenn er in der Schweiz oft als politischer Kopf und als «Motzer» mit klarer Haltung in Erscheinung getreten ist: Die reine Empörung war nie die wichtigste Triebkraft im Leben von Seiler.
Begeisterungsfähigkeit war sein Motor
Seine Filme, seine Aufsätze und nicht zuletzt sein grosses Netzwerk an Freundinnen und Freunden, zeugen davon, dass vor allem seine Begeisterungsfähigkeit sein wirklicher Motor war.
Geehrt wurde diese 2014: An der Schweizer Filmpreisverleihung erhielt «der heimliche Revolutionär des Schweizer Films» den Ehrenpreis für sein Gesamtwerk.
Der Schweizer Filmemacher Alexander J. Seiler verstarb am Donnerstag, wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag. Das gab die Filmproduktion Dschoint Ventschr heute bekannt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 23.11.2018, 16:30 Uhr