«Atlas» ist nach «Tutti giù» der zweite lange Spielfilm des 38-jährigen Regisseurs Niccolò Castelli. Er beruht auf wahren Begebenheiten, welche das Tessin 2011 erschütterten.
«Als wir diesen terroristischen Anschlag in Marokko erlebten», erinnert sich Castelli, «da haben wir gemerkt, dass die Angst auch hier bei uns, in der neutralen Schweiz angekommen ist.»
Der gebürtige Luganesi verfolgte daher die Idee, «über diese Angst zu reden und zu schauen, wie wir uns wieder frei fühlen können.»
Was Terror mit einem macht
Die Geschichte ist aus der Sicht einer jungen Frau erzählt: Allegra führt als begeisterte Kletterin mit ihren Freunden ein unbeschwertes, freies Leben.
Bis ein Terroranschlag alles verändert: Allegras Freunde sterben, sie überlebt. Doch ihre Realität ist in ihren Grundfesten erschüttert. Die Wunden sitzen tief: Trauer, Angst, Schuldgefühle und Rachegelüste gegen Fremde treiben sie um.
Das machte die Besetzung der Hauptrolle für Niccolò Castelli schwierig: «Ich musste eine Person finden, welche diese Emotionen versteht und sie nicht nur technisch umsetzt auf dem Set.»
Hugh Grant und Nicole Kidman geküsst
Gefunden hat er die italienische Schauspielerin Matilda De Angelis. 2018 wurde diese an der Berlinale offiziell zum europäischen Shootingstar ernannt.
Seither brillierte De Angelis in zahlreichen Kino- und TV-Produktionen. Und war bis vor zwei Jahren auch noch als Sängerin einer Band unterwegs. Zuletzt sorgte die 25-Jährige in der HBO-Serie «The Undoing» mit Hugh Grant und Nicole Kidman für Furore. Sie küsste darin beide.
In ihrer Rolle als Allegra aber muss sie sich mühsam zurück ins Leben kämpfen. Auch das spielt sie intensiv und eindringlich.
«Matilda musste erst ihre Figur, die Angst und die Trauer verstehen und tief in die Emotionen hineingehen», erzählt der Regisseur von ihrer Zusammenarbeit: «Sie ist sehr intelligent und hat das trotz ihrer erst 25 Jahren sehr gut gemacht.»
Fast eine Tessinerin
Zudem musste sie, die aus Bologna stammt, die Berge kennenlernen und klettern gehen.
«Sie hat viel trainiert und Monate im Tessin verbracht», schwärmt Niccolo Castelli: «Und plötzlich hat sie angefangen, Tessiner Italienisch zu sprechen.»
Entstanden ist ein subtiles Drama, leise und berührend. Optisch gibt der Film ebenfalls viel her: Eindrückliche Bergaufnahmen wechseln sich ab mit Grossaufnahmen von Allegras Gesicht. Eine versteinerte Fassade, die allmählich immer weicher und zugänglicher wird.
Landschaften der Seele
Der Look entspreche den Emotionen der Figur, sagt der Regisseur: «Filme müssen für mich auch mit Bildern und Tönen sprechen, nicht nur durch Dialoge. Darum haben wir Orte gesucht, die den Gefühlen der Hauptfigur entsprechen oder in starkem Kontrast zu diesen stehen.»
Castelli erzählt die Handlung nicht chronologisch: Helle Bilder des unbeschwerten Lebens vor dem Attentat wechseln sich ab mit düsteren Aufnahmen danach – als Zeichen von Allegras Versehrtheit und Verunsicherung.
So entsteht auch visuell der Eindruck eines zersplitterten Lebens, das sich im Laufe des Films wieder stimmig zu einem einheitlichen Ganzen fügt.