Patricia Highsmith hat mit ihren Ripley-Romanen Weltbestseller geschrieben. Und mit «Carol» den ersten lesbischen Kultroman – unter Pseudonym. Highsmith war Partykönigin und Einsiedlerin, Katzenlady und Tagebuchschreiberin. Jetzt ist sie das Zentrum des Schweizer Dokumentarfilms «Loving Highsmith», der ganz unverhohlen als Liebeserklärung auftritt.
Wenn Patricia Highsmith darin mit Passagen aus ihren Tagebüchern zu hören ist, fühle ich mich sicher und entrückt zugleich. Das liegt an der Stimme von Gwendoline Christie, die in «Game of Thrones» die loyale, kampfkräftige Brienne of Tarth gespielt hat.
Eva Vitija hat die britische Schauspielerin als Sprecherin für die schriftlichen Highsmith-Erinnerungen gewonnen, ein Beispiel für die liebevoll und sorgfältig gesetzten Details in dieser Produktion.
Elegante Verknüpfungen
Wie elegant Eva Vitija Interviews mit Frauen aus dem Leben von Patricia Highsmith mit ihren Notizen verknüpft, überlagert, ergänzt, oder Szenen aus bekannten Highsmith-Verfilmungen direkt aus ihren Texten schlüpfen lässt, zeigt etwa ein Ausschnitt aus Hitchcocks «Strangers on a Train». Jener Verfilmung von 1951, welche die Autorin Highsmith fast über Nacht weltberühmt machte.
Da orientiert sich der Eindringling mit der Taschenlampe auf dem Wohnungsplan, den ihm sein Auftragsgeber gezeichnet hat. Und plötzlich taucht im Lichtkegel das Bild von Patricia Highsmith auf.
Interviews mit Weggefährtinnen
Das Herzstück von «Loving Highsmith» aber bilden die Interviews mit Frauen, die wichtig waren in Highsmiths Leben, die ihre Leidenschaft geteilt haben, das Verstecken, die Nöte, die Lebenslust.
Etwa die heute 95-jährige Autorin Marijane Meaker, welche die lesbische Pulp-Fiction miterfunden hat und mit Highsmith zu Beginn der 1950er-Jahre in New Hope, Pennsylvania, Haus, Tisch und Bett geteilt hat. Oder die Französin Monique Buffet, dank der Highsmith ihre aus Liebeskummer erwachsene Schreibblockade überwand. Oder auch der 2020 verstorbene deutsche Paradiesvogel Tabea Blumenschein.
Freude am Schönen und Verlorenen
Die Erinnerungen dieser geliebten und liebenden Frauen verbinden sich mit den Notizen, den Romanfiguren, früheren Highsmith-Interviews und den grossen Verfilmungen in Eva Vitijas detailverliebten Dokumentarfilm zu einem blühenden Bild mit dunklen Einschlüssen und schmerzlichen Druckstellen.
Wirklich mitreissend und begeisternd ist dabei Eva Vitijas Freude am Schönen, Leidenschaftlichen und auch am Verlorenen ihrer Protagonistin. Sie beschönigt nichts, wischt nichts vom Tableau.
Selbst die vom Verlag grosszügig zensierten rassistischen und antisemitischen Bemerkungen, welche Patricia Highsmith mit zunehmendem Alter wie magische Bann-Flüche in ihre Notizen gekritzelt hat, finden Erwähnung, mit dem kommentierenden Satz der Filmemacherin, diese Schimpftiraden der alternden Autorin wirkten wie eine Rückkehr zum Südstaaten-Rassismus ihrer texanischen Grossmutter.
«Loving Highsmith» ist ein auf jeder Ebene ambitioniert und einfallsreich gestalteter Dokumentarfilm auf internationalem Niveau – und gerade darum eine überzeugende Liebeserklärung, weil er Schmerz, Angst und Verletzung nicht ausspart.