Wie für alle Filmfestivals stellen sich für die Verantwortlichen der Solothurner Filmtage derzeit ein paar grundsätzliche Fragen: Bleiben wir eine ortsgebundene Präsenzveranstaltung? Nutzen wir die in der Pandemie entwickelten, digitalen Möglichkeiten zur Erweiterung des Angebotes und der Reichweite? Stellen wir gar komplett um auf eine ganzjährige Online-Präsenz?
Die letzten präpandemischen Filmtage im Januar 2020 zogen 63'000 Zuschauerinnen und Zuschauer an, etwas weniger als die rund 65'000 der Jahre davor. Dann hat die ins Netz verlegte «Covid-Ausgabe» von 2021 mit 29'815 Filmsichtungen zumindest einen Achtungserfolg verbucht.
Die virtuelle Notlösung
Liegt die Zukunft der Filmtage damit klar online? Nicht, wenn es nach dem aktuellen Vorstand und dem interimistischen Leitungsteam der 57. Ausgabe geht. Auch nicht, wenn man sich im verbliebenen Stammpublikum umhört.
Die Rekordzahlen des Pandemie-Jahres 2021 waren klar der Ausnahmesituation geschuldet. Die Fernsehausstrahlung des Eröffnungsfilms hat dazu beigetragen. Aber auch der Umstand, dass ohnehin alle zuhause bleiben mussten und sich mit der durchaus attraktiv gestalteten Online-Ausgabe wenigstens etwas vom gewohnten sozialen Kulturaustausch ins Heim holen konnten.
Für die diesjährige Ausgabe vor Ort rechnete das Interimsteam mit maximal 50 Prozent der gewohnten Besucherzahlen. Ein Wert, der überschlagsmässig eher unterschritten wurde (die genauen Zahlen werden mit dem Schlusscommuniqué bekannt gegeben).
Hybrid-Festival als Chance?
Das Team hatte auf ein Festival vor Ort gesetzt, mit der Möglichkeit, notfalls auf eine Online-Version auszuweichen. Verworfen wurde dagegen die Idee einer sogenannten Hybrid-Ausgabe, also vor Ort in den Kinos und gleichzeitig online. Aus praktischen Gründen, weil mit dem bestehenden Budget nur das eine oder das andere zu leisten wäre. Und aus Traditionsgründen, weil die Stadt Solothurn als Begegnungsort der Filmtage zu deren Identität gehört.
Sponsoren und Geldgeber drängen allerdings bei allen Festivals auf eine hybride Zukunft. Aus einem einfachen Grund: Wachsende Publikumszahlen sind nur noch so möglich. In Solothurn ist die Kino-Kapazitätsgrenze schon vor ein paar Jahren erreicht worden.
Doch sind Wachstum und Expansion nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten? Oder müsste man gar den Aufwand vor Ort reduzieren, um online die neuen Möglichkeiten ausbauen zu können?
Solothurn soll bleiben
Das sind Fragen, welche das neue Leitungsteam der Solothurner Filmtage in den nächsten Monaten klären muss. Thomas Geiser, der Präsident des Trägervereins, hat an der Eröffnung vor einer Woche an zwei klare Vorgaben erinnert: Die Filmtage werden neu eine administrative und eine künstlerische Leitung haben. Und die Solothurner Filmtage sollen Solothurner Filmtage bleiben, vor Ort, mit ihrem treuen Stammpublikum und mit den traditionellen Begegnungsmöglichkeiten.
Die neue administrative Leitung ist gewählt und wird der Öffentlichkeit in den nächsten Tagen vorgestellt. Die Stelle der künstlerischen Leitung ist noch bis 18. Februar ausgeschrieben, die Wahl soll danach zügig angegangen werden.
Die Zerreissprobe zwischen Innovation und Tradition wird auch für die «Neuen» die grösste Herausforderung sein. Denn an ihnen zerren alle: der Vorstand, die Sponsoren, die Geldgeber der öffentlichen Hand, das Stammpublikum, die Schweizer Filmszene und nicht zuletzt die Medien.