Spaziert man dieser Tage durch Solothurn, sieht man ihn an jeder Ecke. Auf Postern, Flyern oder leibhaftig – denn Joel Basman ist auch an zahlreichen Premieren präsent. Zu unserem Interviewtermin erscheint der Zürcher ganz casual mit Baseballmütze. Und schnell ist klar: Nicht nur die Jeans, sondern auch die Worte sitzen bei ihm locker. So entsteht ein erfrischend ehrliches Gespräch über seine Wurzeln und die – wie er es nennt – «Hassliebe zur Schweiz».
«Dawn» – Basman und Israel
Joel Basmans Grossvater war einst vor den Nazis aus Lettland nach Palästina geflüchtet. 1948 entstand dort nach dem Ende des britischen Mandats Israel. «Dawn» erzählt die blutige Vorgeschichte der Staatsgründung aus der Sicht eines blutjungen jüdischen Terroristen. Als ein junger, Hebräisch sprechender Schweizer für diesen Part gesucht wurde, kam für Regisseur Romed Wyder nur Basman in Frage.
Dieser war von den Fragen der Zugehörigkeit und des Gewissens von Beginn weg Feuer und Flamme. Mit dem beklemmenden Kammerspiel kann Basman gleich doppelt zufrieden sein: Weil seine Performance in «Dawn» ungemein stark ist. Und weil ihm der Film, wie er selbst sagt, die erste vertiefte Auseinandersetzung mit seinen israelischen Wurzeln ermöglicht hat.
«Skinny Boy» – Basman und die Schweiz
Echte Heimatsgefühle verbindet der helvetisch-israelische Doppelbürger aber nur mit einem Land: der Schweiz. Dem Klischee des waschechten Eidgenossen entspricht er auf der Leinwand dennoch selten. Sein Auftritt als Sohn eines depressiven Bauern in «Skinny Boy» kommt diesem Rollenprofil noch am nächsten. Doch auch in diesem atmosphärisch dichten Kurzfilm spielt der eingefleischte Zürcher keinen Bünzli, sondern einen jungen Mann, der ausbrechen will.
Das passt zu Basman, der gerne Grenzen überwindet und schon als 18-Jähriger den Sprung ins Ausland gewagt hat. Ist Basman zu lange am selben Ort, wird’s ihm zu eng – in der braven Wohlstands-Oase Schweiz sowieso. Sein Verhältnis zu Mutter Helvetia bezeichnet er darum als Hassliebe. Er liebt sie innig und doch freut er sich immer wieder, wenn er sie für längere Zeit hinter sich lassen kann.
«Vielen Dank für Nichts» – Basman und Deutschland
Über drei Jahre lebte Basman ab 2008 in Berlin. Dank seines beruflichen Erfolgs ist er immer noch regelmässig in der deutschen Hauptstadt zu Gast. Als Ausländer wird er dort längst nicht mehr wahrgenommen. Sein Hochdeutsch ist so akzentfrei, dass mancher Schauspielkollege erstaunt reagiert, wenn er von Basmans Nationalität erfährt.
Das gefällt dem 24-Jährigen. Nicht auf seine Identität als Schweizer reduziert zu werden, sei ein gutes Zeichen dafür, dass man es als Schauspieler geschafft habe. Die Hauptrolle in der deutsch-schweizerischen Koproduktion «Vielen Dank für Nichts» passt da perfekt ins Bild. Bewundernswert, mit welcher Selbstverständlichkeit Basman inzwischen auch Filme ausserhalb unseres Landes trägt.
In der Komödie von Oliver Paulus und Stefan Hillebrand spielt er einen Draufgänger, der durch einen Snowboard-Unfall an den Rollstuhl gefesselt wird. Mit den «Spasten», wie er die anderen Behinderten abschätzig nennt, will er anfänglich nichts zu tun haben. Bis er merkt, dass diese einiges auf dem Kasten haben. Und, wenn’s sein muss, auch vor einem bewaffneten Raubüberfall nicht zurückschrecken. Der herrlich schwarze Humor in «Vielen Dank für Nichts» erstickt sämtliche Spuren von Betroffenheit-Kitsch im Keim. Joel Basman lässt sich nicht behindern und gibt auch im Rollstuhl Gas.
Solothurn, Berlin, Hollywood – tolle Aussichten
Nach den «heimeligen» Solothurner Filmtagen geht’s für Basman direkt weiter im Festival-Parcours. Berlin ruft. Die deutsche Metropole ist inzwischen ja fast seine zweite Heimatstadt. Der Zürcher ist als Nebendarsteller von George Clooneys Berlinale-Film «The Monuments Men» eingeladen.
Im Geschichtsdrama über die Rettung gefährdeter Kulturgüter spielt Basman einen Nazi. Die Szene ist zwar nur zweieinhalb Minuten kurz. Doch immerhin hat sie es in die Endfassung der deutsch-amerikanischen Koproduktion mit Bill Murray, Matt Damon und John Goodman in den Hauptrollen geschafft. Und von Clooney höchstpersönlich für einen Filmrolle auserwählt zu werden, ist auch nicht die schlechteste Referenz.
Noch nie zuvor hat ein Schweizer Schauspieler in jungen Jahren international so viel erreicht wie Joel Basman. «Ziellos», so der Name der nächsten SRF-Produktion mit Basman in der Hauptrolle, wirkt sein Werdegang jedenfalls ganz und gar nicht. Seine Basis bleibt die Schweiz, der er sich tief verbunden fühlt. Aber viel wichtiger als die Wurzeln sind ihm seine Flügel, mit denen er nationale Grenzen überwinden kann. Oder in Basmans Worten: «Ich bin froh, dass ich in diesem wunderschönen Land geboren wurde. Und doch will ich noch ganz viel anderes sehen von dieser Welt.»