Men Lareida erzählt in seinem Spielfilmdebüt die Geschichte einer schönen, jungen Frau aus den Randquartieren von Budapest. Sie träumt vom schnellen Geld vom Zürcher Strassenstrich. Viktoria weiss, worauf sie sich einlässt, als sie nach dem Vorbild zweier protzender Kolleginnen nach Zürich aufbricht. Von Zwangsprostitution kann da zunächst mal keine Rede sein. In Zürich gerät sie allerdings schnell in eine Spirale von Druck, Gewalt, Erpressung, Medikamentenmissbrauch und gezielt geschürter Konkurrenz.
Grausamer Job, harmloser Film
Es ist schwer zu entscheiden, warum der Film als «Cautionary Tale», als warnende Geschichte, trotz seines Realismus letztlich harmlos wirkt. Vielleicht, weil wir aus skandinavischen Krimis und deutschen Fernsehfilmen längst viel grausamere Schicksale zu kennen glauben. Vielleicht aber auch, weil da alles so drehbuchmässig aufgeht.
Die schöne Viktoria erfährt die grausame Härte des Jobs in Zürich. Sie sieht, wie erpressbar ihre Zimmerkollegin mit dem kleinen Sohn geworden ist, sie gönnt sich ein paar unbeschwerte Momente mit einem charmanten schwarzen Dealer und sie schickt vorsichtigerweise den grössten Teil ihres Geldes per Überweisung nach Hause.
Keine Beschönigungen
Man kann Men Lareida nicht vorwerfen, er beschönige den Strassenstrich. Die einzelnen Sequenzen des Films sind so diskret wie eindeutig aufgebaut und gefilmt. Die Zuhälterfiguren bedienen unsere Vorstellung bestens, und die Schweizer Kunden sind meist so unscharf gezeichnet, dass wir sie leicht in unserer Umgebung ansiedeln können.
Vielleicht hat Viktoria einfach zu wenig Hoffnungslosigkeit, im Gegensatz zu Petra Volpes wenigstens teilweise ähnlich gelagertem «Traumland», der ebenfalls hier in Solothurn zu sehen war. Viktoria ist zu schön, zu klug, zu gesund und zu unabhängig. Ihr einziges Handicap scheinen mangelnde Sprachkenntnisse zu sein. Auf den schmuddeligen Strassenstrich scheint sie jedenfalls nicht so recht zu passen.
Eine gut gemeinte Warnung
Es gibt ausgesprochen starke Momente im Film. Zum Beispiel, als Viktoria ihre Zimmerkollegin fragt, ob sie schon mal am See gewesen sei – und diese von einem See in Zürich nicht einmal weiss. Aber auch solche Momente werden fragwürdig im Kontext, denn die Frau hat einen neunjährigen Sohn in einem Heim, mit dem sie offenbar auch schon mal den Zoo besucht hat. Den See dabei nicht zu bemerken dürfte schwierig sein – es sei denn, das Heim befinde sich gar nicht in Zürich.
Viktoria ist ein Zürcher Film, auch wenn die Ränder von Budapest einen guten Teil des anfänglichen Raums einnehmen. Umso verblüffender denn die Schrebergarten-Sequenz gegen Ende der Geschichte, welche zwar einen perfekten Kontrast aufbaut zwischen heiler Welt und kaputter Strasse – aber zugleich mit Bahngeleisen, Brücken, Fluss und Büschen an die Filme von Kurt Früh erinnert. Bei aller Konsequenz bleibt dem Film eine märchenhafte Komponente. Und wirkt wie eine gut gemeinte Warnung.