Rentner Anton Sommer (Mathias Gnädinger) bastelt Flaschenschiffe und will seine Ruhe haben. Allerdings träumt der zehnjährige Enkel seiner Vermieterin im Stock über ihm von einer Karriere als Sumo-Ringer.
Das enthusiastische Gestampfe von oben stört die feine Bastelarbeit unten. Aber dann stirbt die Grossmutter – und der kleine Hiro verspricht Anton Sommer, er dürfe im Haus, das er eben geerbt hat, wohnen bleiben. Falls er ihn dafür nach Japan begleite. Denn seit Hiros Eltern bei einem Unfall gestorben sind, möchte der Junge in jene Sumo-Schule, die schon sein japanischer Vater besucht hatte.
Die Mechanik funktioniert
Es ist ein Standard-Plot, den «Der grosse Sommer» hier auftischt. Die Geschichte vom sonnigen Kind, welches mit seiner direkten Art einen vergrummelten alten Mann noch einmal ins Leben zurückholt.
Dagegen ist an und für sich nichts einzuwenden, wir haben uns oft und gerne rühren lassen von dieser Mechanik, spiele sie nun beim kleinen Lord Fauntleroy in England oder in der Schweiz zwischen dem Alpöhi und dem Heidi.
Schnell bröckelt die Kruste
Der junge Hiro (Loïc Sho Güntensberger) hat sich den brummligen Alten als Begleiter gewünscht, weil er weiss, dass der einmal «ein Böser» war, ein Schwingerkönig. Bis ihn eine persönliche Tragödie zum Rückzug zwang.
Der Alte – das wissen wir, weil ihn Mathias Gnädinger so spielt – hat unter der Kruste noch immer das grosse ehrliche Herz, das der Junge mit seinem Enthusiasmus bald wieder zum Schlagen bringt.
Die beiden jungen Drehbuchautoren Theo Plakoudakis und Marco Salituro machen es sich und dem Publikum jedoch eine Spur zu einfach. Japan gibt zwar eine schön exotische Kulisse ab und viele Gelegenheiten, Gnädinger kopfschüttelnd kulturgeschockt «cheibe Japaner» brummeln zu lassen. Aber dramatische Entwicklungen gibt es kaum.
Weil Gnädinger den Alten spielt
Die Sprachbarriere wird mit einem Japanisch und Schweizerdeutsch sprechenden Übersetzungscomputer überwunden. Rückschläge auf der Reise werden durch wundersame Begegnungen aufgefangen und die schöne, alte Japanerin, die Sommer sofort gefällt, verliebt sich ohne zu zögern in den schwergewichtig schnaufenden Schweizer.
Auch das geht. Aber eben nur, weil Mathias Gnädinger den Alten spielt. Und weil das Publikum die Spielregeln des Films schon nach zehn Minuten begriffen hat und unter den gegebenen Umständen auch rührungswillig mitspielt.
Mit Leben und Menschlichkeit
Man hätte Mathias Gnädinger einen komplexeren, vielschichtigeren Film zum Abschied gewünscht. Aber der Mann hat schliesslich jeder seiner Figuren Leben und Menschlichkeit verliehen, dem «Gemeindepräsidenten», dem Kommissar Hunkeler, ja selbst Göring in «Der Untergang» und dem fiesen Organhändler im «Bestatter».
Dass es ihm dann auch bei diesem etwas formelhaft geratenen Alpöhi-Klon in «Der grosse Sommer» gelungen ist, ist nicht wirklich überraschend. Es zeugt von der Kraft und dem Können eines Schauspielers, den wir in der Schweiz nun erst recht vermissen werden.
Kinostart: 28. Januar 2016