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Filmkritik: «Never, Rarely, Sometimes, Always»
Aus Kultur-Aktualität vom 08.10.2020. Bild: UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL SWITZERLAND GMBH
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 42 Sekunden.

Subtiles Filmdrama Es kann verdammt beschissen sein, eine junge Frau zu sein

In «Never, Rarely, Sometimes, Always» begleiten wir eine junge Frau auf dem beschwerlichen Weg zu einer Abtreibung. Regisseurin Eliza Hittman erzählt ihr Drama in leisen Tönen. Ihr kritischer Kommentar zum Thema ist deshalb nicht minder deutlich.

«Nie, selten, manchmal, immer» – mit diesen Worten soll Autumn die Fragen der Sozialarbeiterin in der Abtreibungsklinik beantworten. Die Fragen könnten sehr persönlich werden, fügt sie an.

Die 17-Jährige, die der Sozialarbeiterin gegenübersitzt, schweigt. Nickt müde.

Ungewollt schwanger und jetzt?

Autumn hat eine anstrengende Reise hinter sich. Aus einer kleinen Stadt in Pennsylvania ist sie mit ihrer Cousine Skylar nach New York gereist. Hier sind die Gesetze liberaler. Denn Autumn ist ungewollt schwanger. In ihrem Heimatstaat ist eine Abtreibung bei Minderjährigen ohne die Einwilligung der Eltern aber illegal.

Junge Frau sitzt mit glasigen Augen auf dem Sofa
Legende: Mit ihrer Familie über die ungewollte Schwangerschaft sprechen? Für Autumn keine Option. UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL SWITZERLAND GMBH

Während ihres zweitägigen Aufenthalts in New York erdulden die beiden allerlei mühsame Situationen. In der U-Bahn müssen sie vor einem unheimlichen Typen flüchten, der sich vor ihnen in die Hose greift, im Bus einen aufdringlichen Jungen abschütteln.

Dramatisch ohne Drama

Es passiert in «Never Rarely Sometimes Always» nichts Dramatisches. Es sind alltägliche sexistische Handlungen, auf die Hittman in diesen Momenten den Fokus legt und damit zeigt, wie feindlich die Welt jungen Frauen eingestellt ist.

Ohne je einer ihrer Figuren die Worte «rape culture» oder «Feminismus» in den Mund zu legen, macht Hittman deutlich: Es kann verdammt beschissen sein, eine junge Frau zu sein. Wir erleben es mit Skylar und Autumn hautnah mit.

Die Regisseurin Eliza Hittman

Box aufklappen Box zuklappen

Nach ihrem Masterabschluss an der Video- und Filmschule des California Institute of the Arts, drehte die in Brooklyn aufgewachsene Eliza Hittman mehrere Kurzfilme. Darunter etwa «Second Cousins Once Removed» (2010) und «Forever’s Gonna Start Tonight» (2011). Ihr Langfilm-Debut «It Felt Like Love» (2013) wurde für zwei Independent Spirit Awards nominiert und feierte seine Premiere am Sundance Film Festival.

«Wünschst du dir nicht manchmal ein Typ zu sein?» fragt Skylar Autumn einmal. «Die ganze Zeit» antwortet diese.

Eine junge Frau steht vor dem Mikrofon.
Legende: Subtil macht die Regisseurin Eliza Hittman deutlich: Es kann verdammt beschissen sein, eine junge Frau zu sein. UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL SWITZERLAND GMBH

Wer der Vater von Autumns Kind ist, wird nie angesprochen. Hittman lässt ihr Publikum selber konstruieren, wie Autumn schwanger wurde. Man ahnt schon früh, dass sexuelle Gewalt im Spiel war.

Hittman zeigt nichts explizit, bleibt während des ganzen Films bei den Mädchen. Damit umgeht sie klug die Gefahr bei dem schweren Thema sensationalistisch zu werden.

Frau schaut im Bus aus dem Fenster
Legende: Dramatisch ohne Drama: Autumns Reise zeigt, was inmitten von Chaos wirklich zählt. UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL SWITZERLAND GMBH

Verständnis ohne viele Worte

Überdramatisiert wird auch die Beziehung zwischen den beiden Protagonistinnen nicht. Ausser dem gelegentlichen «Are you ok?» von Skylar reden die beiden nicht viel miteinander.

Das Verständnis, das Skylar ihrer Cousine entgegenbringt, sieht man in ihrem Blick. Die verschlossene Autumn mag nicht auf jede und jeden sympathisch wirken, gegenüber Skylar verhält sie sich oft auch abweisend. Trotzdem hält ihre Cousine während des ganzen Trips zu ihr.

Es ist Skylar, die das Geld für die Reise klaut, die den viel zu grossen Koffer durch das verregnete New York schleppt, sich schliesslich sogar auf den Typen aus dem Bus einlässt, damit die beiden zu Geld für die Rückreise kommen.

Ein Mädchen lehnt den Kopf auf die Schulter eines anderen.
Legende: Gemeinsam mit ihrer Cousine Skylar kratzt Autumn Geld zusammen und macht sich auf den Weg nach New York City. UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL SWITZERLAND GMBH

Scharfe Kritik und berührender Lösungsvorschlag

Diese kommentarlosen Liebesbeweise berühren. Auch wenn Geschichte über diese schmerzhafte Erfahrung beklemmend ist, traurig und oft auch wütend stimmt: «Never, Rarely, Sometimes, Always» ist kein hoffnungsloser Film.

Denn Eliza Hittman liefert nicht nur einen kritischen Kommentar zum Sexismus im Alltag und der amerikanischen Gesetzgebung. Sie zeigt mit der Beziehung zwischen Skylar und Autumn gleichzeitig auch, was gegen diesen hilft: die Solidarität und der unerschütterliche Zusammenhalt zwischen Frauen.

SRF2 Kultur, Kultur Aktualität, 08.10.2020, 17:20 Uhr.

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