Daniel, den alle nur Dani nennen, wächst in Leipzig auf. Er und seine Jungs-Clique sind unzertrennlich. Die vier nennen sich «Brüder» und gehen auch nach der Wende durch dick und dünn. Aber vor allem gehen sie steil: Autos klauen, Omas ausrauben, im Keller Techno-Partys feiern. Voller pubertärer Lebensenergie machen sie die Nacht zum Tag, eröffnen einen Techno-Club, berauschen sich an den neu importierten Drogen aus dem Westen. Sie wollen die Grössten sein. Vor lauter Träumerei zieht dabei die Realität an ihnen vorbei. Denn die offene, weite Welt hat nicht auf sie gewartet.
Das stärkste Zitat
Rückblende in die DDR-Zeit. Klein-Daniel unterhält sich mit seiner Schulfreundin im Klassenzimmer. Ein Gespräch unter Kindern: «Ich muss mit dir reden, Dani. Ich gehe weg von hier.» «Was heisst das?» «Nun ja, ich gehe weg von hier, weil meine Eltern weg gehen.» «Du kannst doch nicht einfach abhauen.» «Doch.» «DU wolltest doch immer den Sozialismus aufbauen. Keiner wollte ihn so sehr aufbauen wie du. Wenn du im Westen bist, sehen wir uns vielleicht nie wieder.» «Ach, Dani.»
Der Regisseur
Andreas Dresen, bekannt für Filme wie «Sommer vorm Balkon» und «Halbe Treppe», legt normalerweise ein ruhiges Erzähltempo an. Aber mit «Als wir träumten» lässt er seine Hauptfiguren regelrecht aufs Gaspedal treten. Schnelle Schnitte und herber Techno-Sound der 90er-Jahre begleiten den Jugendfilm über die Post-Wendezeit. Andreas Dresen kann sich mit dem Lebensgefühl aus dieser Zeit gut identifizieren. Als die Mauer fiel, war er 26 Jahre alt. Sein filmisches Handwerk lernte er zu DDR-Zeiten. Mit «Als wir träumten» verfilmte er die Jugendjahre eines anderen Ex-Ossis.
Fakten, die man wissen sollte
Clemens Meyer ist der Autor des Romans «Als wir träumten». Es ist sein Debütroman und trägt autobiografische Züge. Denn Meyer wuchs wie seine Protagonisten in Leipzig auf. 1989, im Jahr der Wende, war er 12 Jahre alt. Als Jugendlicher erlebte er die Nachwendejahre so rasant und abenteuerlich wie die Helden im Buch: mit selbstorganisierten Techno-Partys, Alkohol und Drogen. Wegen Autodiebstahl kam er sogar hinter Gitter und konnte deshalb zunächst nicht sein erstes Semester am Leipziger Literaturinstitut antreten. In einem Interview sagte er über diese Zeit: «Sicher, wir hatten eine Menge Spass und doch war bei dem, was wir taten, eine Art Verlorenheit in uns, die ich schwer erklären kann.»
Das Urteil
In einer Welt der unbegrenzten Möglichkeiten schwingt das Gefühl der Verlorenheit mit. Alles kann, nichts muss. Diese Redewendung trifft auch auf die heutige Zeit zu. Vieles scheint möglich, viele Türen stehen offen, nur wartet hinter denen die harte Realität – und die hat mit den Lebensträumen wenig zu tun. Im Film wird dieses Gefühl dem Zuschauer wie eine Ohrfeige ins Gesicht geknallt. Wie die Jungs-Clique verliert man die Orientierung. Wohin soll das alles führen? Nirgendwo, merkt der Zuschauer spätestens nach 60 Minuten. Der Film erzählt keine stringente Geschichte, sondern ist als Darstellung eines Lebensgefühls zu verstehen, eines Lebensgefühls aus einer anarchischen Zeit ohne Halt.
Kinostart: 02.04.2015