Der Krieg in der Ukraine ist mittlerweile trauriger Alltag geworden. Der mediale Blick geprägt von Bombeneinschlägen, Rauchsäulen und Katastrophenbildern. Doch es gibt auch eine andere Perspektive: Diejenige von ukrainischen Menschen, die versuchen, ein ganz normales Leben zu führen. Trotz des Krieges. Diese privaten Realitäten rückt die zehnteilige Serie «In Her Car» in den Fokus.
Auto als Mikrokosmos
Im Zentrum steht die ukrainische Psychotherapeutin Lydia, eine vielschichtige Figur, mit Bravour verkörpert von der ukrainischen Schauspielerin Anastasia Karpenko. Lydia bietet einen unentgeltlichen Fahrdienst an und bringt mit ihrem Privatwagen Menschen zu deren Familien oder an die polnische Grenze.
Jeder Fahrgast bringt seine eigene verzwickte, manchmal auch skurrile Geschichte mit. Zwei Schwestern, die sich wegen eines Mannes entzweit haben, finden wieder zusammen. Französische Eltern suchen ihren Sohn, der wiederum seine ukrainische Frau sucht. Eine Frau versöhnt sich mit ihrem Enkel, der in die Armee eintritt. So wird Lydias Wagen nicht nur zum temporären Zufluchtsort, sondern auch zu einem Mikrokosmos, der menschliche Schicksale im Krieg abbildet.
Lydia selbst ist eine ernste Frau, die in ihrem Fahrdienst einen tieferen Sinn findet. Gleichzeitig wirkt sie aber auch getrieben. In Rückblenden wird schrittweise aufgedeckt, dass auch sie mit einem unverarbeiteten Trauma zu kämpfen hat. Lydias eigene Geschichte dient als roter Faden, der die Episoden verknüpft und im grossen Showdown endet.
Reale Vorlage und Drehorte
Kurz nach Ausbruch des Kriegs boten viele Ukrainerinnen und Ukrainer Fahrdienste mit ihren privaten Wagen an. Das inspirierte den Filmemacher Eugen Tunik zur Serie «In Her Car». Lydia ist zwar eine fiktive Figur, die Episoden der Fahrgäste sind aber von wahren Begebenheiten inspiriert. Gedreht wurde 2023 während 45 Tagen in Kiew und Umgebung, manchmal auch in ausgebombten Gebäudetrümmern.
«Ich habe noch nie eine solche Erfahrung gemacht», sagt Kameramann Vova Ivanov. «Es war einerseits schrecklich, andererseits hatte ich das Gefühl, hier etwas wirklich Bedeutendes zu machen.» Jeder Drehtag habe bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sagt auch Hauptdarstellerin Anastasia Karpenko.
Berührend nah dran
«In Her Car» erzählt bewegende und spannende Geschichten von ganz normalen Menschen. Als Zuschauende sind wir nah dran und erkennen uns selbst in den Ängsten, Intrigen, Sorgen und Freuden. Gleichzeitig bekommen wir eine andere, eine persönliche Perspektive auf den Krieg vermittelt. Es sind «echte» Menschen, die hier hoffen, manchmal verzweifelt oder besonders mutig sind. Das berührt.
Mahnung gegen das Vergessen
«In Her Car» ist aber nicht einfach nur ein bewegendes Kriegsdrama, sondern besticht auch durch seine ästhetische und atmosphärische Bildsprache.
Die Serie startet gleichzeitig in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen und Island. Dass sie das zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion tut, kann durchaus als Mahnung der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten verstanden werden, das Geschehen in der Ukraine nicht zu vergessen.