So böse hat man Russell Crowe selten gesehen: Im Action-Thriller «Unhinged» darf der Neuseeländer als Vollblut-Psychopath glänzen.
Besonders in der amerikanischen Filmgeschichte muss man nicht lange nach frustrierten Männern suchen, die sich von der Gesellschaft zurückgelassen fühlen und zur Selbstjustiz greifen.
Vergangenen Februar heimste Joaquin Phoenix als solcher seinen ersten (und überfälligen) Oscar ein. Inspiration dafür waren Robert De Niros Figuren in «Taxi Driver» und «King of Comedy».
Was Russell Crowes Rolle in «Unhinged» von den vielen bekannten Beispielen aus der Filmgeschichte unterscheidet: Dem Publikum wird von Beginn weg klargemacht, dass es dieser Figur gegenüber keine Sympathien zu vergeuden hat.
Ein schlechter Tag
Um dies zu unterstreichen, wird Russell Crowes Rolle in den Credits schlicht als «The Man» betitelt.
Dieser Mann, der offensichtlich einiges zu verarbeiten hätte, gerät in einen belanglosen Verkehrsstreit mit der jungen Rachel (Caren Pistorius), die ihren Sohn in die Schule fahren will.
Weil Rachel sich nicht dafür entschuldigen will, dass sie auf die Hupe gedrückt hat, als der Mann im Wagen vor ihr nicht sofort auf die Ampel reagiert hat, gerät die Situation ausser Kontrolle.
Der Fremde schwört ihr, dass sie lernen werde, was ein schlechter Tag wirklich beinhalte, bevor sich ihre Wege fürs Erste trennen.
Die eigene Menschlichkeit ausblenden
Crowe erklärte im Interview, dass die grösste Herausforderung an der Rolle das Ausblenden der eigenen Menschlichkeit gewesen sei. Mit solch einer zugespitzten Figur könne man sich schlicht nicht identifizieren.
Wer sich «Unhinged» ansieht, wird schnell feststellen, dass ihm gelungen ist, was er sich aus schauspielerischer Sicht vorgenommen hat.
Seine Leistung und die geradlinige Umsetzung von Carl Ellsworths Drehbuch sorgen dementsprechend dafür, dass die gut 90 Minuten Laufzeit von «Unhinged» sich nie nach mehr anfühlen.
So kann man dem Film auch verzeihen, dass er auf der Klaviatur der gesellschaftskritischen Töne teilweise etwas schludrig spielt. Themen wie Leistungsdruck im Kapitalismus und Einsamkeit in der urbanen Lebenswelt werden angedeutet, aber nicht vertieft.
Ob dies dafür reicht, die kinoscheuen Schweizerinnen und Schweizer wieder in die Säle zu locken, bleibt abzuwarten.
Kinostart: 30.7.2020