Dem fleissigen Klosterschüler Erwin C. Dietrich traute man einst eine Laufbahn als Pfarrer zu. Seine wahre Passion fand er allerdings im Kino. Ausgelöst hatte diese einer der Tarzan-Filme mit Johnny Weissmüller. Dietrich, 1930 in eine gutbürgerliche Schweizer Familie mit deutschen Wurzeln geboren, verbrachte seine Jugend in St. Gallen.
In der Filmbranche zu arbeiten war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht einfach, Filmschulen gab es keine. Dietrich machte eine Schauspielausbildung am Zürcher Bühnenstudio und nebenbei eine kaufmännische Grundausbildung.
Vor und hinter der Kamera
Doch er wollte Filme machen und er machte sie auch. Sein Credo? «Learning by doing.» Dietrich schrieb, produzierte, drehte und spielte wenn nötig auch selber.
Angefangen hat Dietrich mit dem damals populärsten Kinogenre, dem Heimatfilm. Wichtig war ihm dabei der Publikumserfolg, nicht die Kunst. Er machte auch Komödien, etwa mit dem aufstrebenden Schweizer Bühnenstar Walter Roderer. Dietrichs erste Produktionen kamen beim Publikum an, in der Schweiz und in Deutschland.
Doch das damals übliche Finanzierungssystem und seine Abhängigkeit von den deutschen Filmverleihern brachten dem Jungproduzenten Schulden ein. Zwei Millionen Franken konnte der aufrechte Schweizer nicht auf sich sitzen lassen.
Mit Sex gegen Muffigkeit
Damals gab es nur eine Art von Film, mit der sich sicher Geld verdienen liess. Das, was man damals Sex- oder Erotikfilm nannte, war nicht zuletzt eine Reaktion auf die Muffigkeit der 50er-Jahre und die kommerzielle Begleiterscheinung der sexuellen Revolution der 60er-Jahre.
Es brauchte am Anfang kaum mehr als ein paar blanke Busen, um an die Grenzen der Zensur zu stossen. Etwa jene der FSK, der freiwilligen Selbstkontrolle des deutschen Kinogewerbes. Dietrichs frühe Sex-Klamotte «Die Nichten der Frau Oberst» verdankte ihren Erfolg nicht zuletzt diesen werbeträchtigen Kontroversen.
Dietrich bewies kaufmännisches Geschick, indem er das Risiko minimierte, die Zwischenhändler ausschaltete und ein eigenes Filmverleihnetz aufzog. Auf dem aufblühenden europäischen Erotikfilmmarkt etablierte er sich überraschend schnell mit seiner gleichzeitigen Kontrolle über Produktion und Auswertung.
Der Film darbt, Dietrich dreht
Während die Filmbranche kämpfte und mehr debattierte als drehte, produzierte Dietrich permanent. Viele junge Schweizer haben bei ihm die Prinzipien des Business und die Grundzüge des Handwerks gelernt, so auch der Erfolgsproduzent Alfi Sinniger und der Oscar-Gewinner Xavier Koller.
In seinen späteren Jahren waren es nicht mehr die Erotik-Filme, sondern Söldner- und Actionfilme, die Geld in die Kassen spülten: «The Wild Geese» mit Roger Moore zum Beispiel oder «Ein Schweizer namens Nötzli» mit Walter Roderer.
Kontrolle an Kinder
Als Geschäftsmann hat Dietrich immer neue Wege zum Erfolg gesucht und gefunden. So wagte er auch den letzten Schritt zur völligen Kontrolle der Auswertungskette und nahm in Zürich mit dem Capitol das erste Multiplex-Kino in Betrieb. Gegen den erbitterten Widerstand der etablierten Kinobetreiber notabene.
Später baute Dietrich den Ascot-Elite-Verleih zum seriösen Unterhaltungsfilmverleih um und kaufte das Cinemax-Kino auf dem Steinfelsareal.
Dank eines umfangreichen Firmennetzwerks und langjährigen Verträgen mit US-Produzenten ist Ascot-Elite heute einer der grössten unabhängigen Verleiher, geführt in der zweiten Generation von Dietrichs Kindern.
Am Sonntag wurde bekannt, dass der Kinopionier nach langer Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben ist.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 26.3.2018, 17.10 Uhr