Natürlich: Es gibt noch immer viele Menschen, für die gehören Kevin und seine Einbrecher ebenso zu den Weihnachtstagen wie «Love Actually», das tschechische Aschenbrödel mit den Haselnüssen oder die Diskussion darum, ob «Die Hard» mit Bruce Willis nun ein Weihnachtsfilm sei.
Eine Flut von Filmen
Wer aber unvorsichtig genug ist, auf einer der Streaming-Plattformen nach den Stichworten «Weihnachten» oder «Christmas» zu suchen, traut den eigenen Augen nicht mehr.
Von «Arthur Christmas» über die «Christmas Chronicles» bis zu «The Knight Before Christmas» fliegen einem Hundertschaften von bunten Bildchen entgegen, auf fast allen dominieren die Farben rot und grün. Und in auffällig vielen von ihnen kommt das Wort «Prinzessin» vor.
Hat die Internationale Movie Database IMDb für das Jahr 2009 noch rund dreissig neue Filme mit «Christmas» im Titel gelistet, waren es zehn Jahre später schon 150, die im gleichen Jahr produziert wurden. 2021 waren es mehr als 200 neue Filme. Und das sind nur jene, die «Christmas» im Titel tragen.
Vom Grusskarten- zum Filmproduzenten
Die Schuld daran trägt der 1910 in Kansas City gegründete Grusskarten-Hersteller Hallmark. Vorgedruckte Geburtstagskarten helfen das ganze Jahr aus der Verlegenheit. Aber vor allem in den USA verschickt man zu Weihnachten Karten an so gut wie alle Verwandten und Bekannten. Die hängen dann an einer Schnur im Wohnzimmer, wie Trophäen.
Schon in den 1950er-Jahren stieg Hallmark zusätzlich ins saisonale Business mit den thematisch auf die Weihnachtstage zugeschnittenen Filmen ein. 2001 ging der Hallmark-Channel in Betrieb, 2009 startete dort die jährliche Weihnachtsfilm-Saison.
Single-Frau findet Liebe und Familie
Der typische Hallmark-Weihnachtsfilm dreht sich um eine Single-Frau, die in den Weihnachtstagen ihre grosse Liebe findet, oder um eine Familie, die sich wieder findet, oder, wie vox.com schon vor ein paar Jahren spottete, um die Familie einer Single-Frau, die sich und die grosse Liebe an Weihnachten findet.
Die Weihnachtsfilmproduktion macht mittlerweile den grössten Teil des Hallmark-Volumens aus. 42 Weihnachtsfilme hat Hallmark offenbar allein in diesem Jahr herstellen lassen, die offizielle Saison auf dem Hallmark-Channel begann schon am 22. Oktober.
Die Filme mögen so formelhaft und gleichförmig sein wie «Bergdoktor»-Kioskromane, letztlich macht genau das ihren Erfolg aus. Die Sehnsucht nach verträumter Weihnachtsstimmung wird grösser, je schwerer es einem die allgemeine Weltlage und die Konzern-Kommerzialisierung der Festtage macht.
Da müssen dann wenigstens die Zimtsterne, die «Mailänderli» und die Weihnachtsfilme genau so schmecken, wie man, oder in diesem Fall vor allem Frau, sie in Erinnerung hat.
Der beste Weihnachtsfilm
Bei der riesigen Verfügbarkeit billiger Filme zum Thema ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass sich alle grossen Streaming-Plattformen auf diesem Markt bedienen. Immer mehr vom gleichen ist auch bei ihnen das zentrale Business-Modell.
Dass es noch billiger geht, beweist unsere Streaming-Empfehlung für die Festtage: Nichts verbreitet familiär unverfänglicher Stimmung als ein hochauflösend abgefilmtes Kamin-Feuer auf dem Bildschirm. Etwa die zehn Stunden «Crackling Birchwood Fire in 4K» auf Netflix.