- Seit dem Rauswurf aus dem «Media»-Abkommen der EU hat der Schweizer Film in Europa einen schweren Stand.
- Die Konsequenzen sind mehr Aufwand für die Vermarktung und neue bilaterale Abkommen.
- Eine Lösung sind Koproduktionen mit ausländischen Partnern und Filme, die stärker auf ein internationales Publikum ausgerichtet sind.
Das ist geschehen
Mit der Annahme der Initiative «Gegen Masseneinwanderung» im Jahr 2014 hat das Schweizer Stimmvolk die hiesige Filmwirtschaft aus dem europäischen Netzwerk «Media» katapultiert. Dieses hatte den kleinen Schweizer Filmmarkt mit Fördergeldern versorgt und in ein internationales Netzwerk eingebettet.
Der Wissenschaft ist es ähnlich ergangen. Sie hat inzwischen einen Weg gefunden, am EU-Programm «Horizon 2020» teilzunehmen. Nicht so die Filmwirtschaft.
Das ist das Problem
In erster Linie fehlt die automatische Vernetzung, die dem Schweizer Film zu Aufmerksamkeit im Ausland verholfen hat. Schweizer Produktionen sind per se nicht mehr attraktiv für europäische Verleiher (siehe Box). Ivo Kummer vom Bundesamt für Kultur befürchtet eine drohende Isolation: «Der Media-Ausschluss bringt für den Schweizer Film Wettbewerbsnachteile, und auf die Dauer fehlen die Anreize für das Ausland sich mit Filmen aus der Schweiz zu beschäftigen.»
Rein finanziell ist der «Media»-Ausschluss kein Einschnitt. Der Bund hat 2014 rasch Ersatzmassnahmen gesprochen und die Gelder an Brüssel ins eigene Land umgeleitet.
Konsequenz 1:
Mehr Anstrengung in der Vermarktung
Nichts geht mehr automatisch. Es brauche viel intensivere Überzeugungsarbeit, um den Schweizer Film im Ausland zu platzieren. Das berichtet die Leiterin der Promotionsagentur Swiss Films, Catherine Ann Berger.
«Wenn ein Weltvertrieb zum Beispiel heute die Wahl zwischen einem Schweizer und einem polnischen Film von gleicher Qualität hat, entscheidet er sich für den polnischen, weil er hier die automatische EU-Förderung erhält», illustriert sie. «Somit müssen wir früh das Gespräch suchen und uns proaktiv bemühen, das Interesse zu wecken.»
Gleiches gilt für Festivals: «Verheerend ist es für die Filme mit B-Festival-Potenzial.» Für Filme mit höherem kommerziellem Potenzial seien die Einschnitte nicht so massiv. Dafür sprechen aktuelle Erfolge wie «La vie de Courgette».
Konsequenz 2:
Bilateral statt international
Die Politik geht eigene Wege, solange die Schweiz aussen vor bleibt. So bestätigt Ivo Kummer, dass man sich vermehrt um Abkommen mit einzelnen Ländern bemühe. Gerade in der vergangenen Woche ist er gemeinsam mit Schweizer Filmproduzenten nach Dänemark gereist. Ziel ist ein bilaterales Abkommen.
Gleichzeitig reichen die Anstrengungen in weitere Ferne: So ist ein neues Abkommen mit Mexiko vorgesehen – und am World Economic Forum hat man eine Kooperationen mit China unterzeichnet.
Konsequenz 3:
Strategisches Produzieren
Filmemacher überlegen sich genauer, wie sie an Fördergelder und Netzwerke kommen können – und setzen auf Koproduktionen. Regisseur Xavier Koller nennt als Beispiele Kanada und Deutschland. Mit diesen Ländern bestehen Abkommen.
Im Falle des Erfolgsfilms «More Than Honey» ist dies gar im Nachhinein erfolgt. Die Bienen-Dokumentation ging 2014 als Schweizer Film an die Oscars, bekam für den Verleih allerdings ein neues Kleid: Er gilt nun als deutscher Film. So kamen die Verleiher zu Geldern aus dem «Media»-Programm, mit denen sie bereits kalkuliert hatten.
Das ist die Zukunft
Filmwissenschaftler Bjørn von Rimscha hält Koproduktionen für einen vielversprechenden Weg: «Koproduktionen bedeuten, dass grössere Budgets möglich werden, dass internationales Know-how erschlossen wird und, vielleicht am wichtigsten, dass Filme entstehen, die Geschichten transportieren, die auf mehreren Märkten als relevant wahrgenommen werden.»
Letztlich zwinge das «Media»-Ende die Schweizer Filmbranche, «unmittelbarer an der Verbesserung des ‹Produkts› und an der Vernetzung mit Partnern zu arbeiten – das muss durchaus kein Schaden sein.»