Wonder Woman ist ein Stück feministische Popkultur, ihr Erfinder eine etwas seltsame Persönlichkeit.
Der US-Amerikaner William Moulton Marston erfand in den 1920er-Jahren einen Lügendetektor, der wirtschaftlich ein Flop war, schrieb erotische Literatur, seine akademische Karriere fuhr er an die Wand, genauso wie die in Hollywood, wo er als psychologischer Berater engagiert worden war, um Filme realistischer zu gestalten.
Zwei Frauen, eine Inspiration
Marstons Lebenstil war für damalige Zeiten mehr als ungewöhnlich. Er lebte mit zwei Frauen zusammen und hatte Kinder mit ihnen.
Geld verdiente er kaum, weil er ständig die Jobs verlor. Eine der Frauen finanzierte den Haushalt. Seine Lebensgefährtinnen inspirierten ihn zu Wonder Woman.
Faschist und Frauenfeind
Die starke Amazone tauchte das erste Mal im Oktober 1941 auf, mitten im Zweiten Weltkrieg. Das Comicheft war sofort ein kommerzieller Erfolg.
Wonder Womans damaliger Erzfeind Dr. Psycho war nicht nur ein Faschist, sondern auch ein Gegner von Frauenrechten. Denn Marston wollte mit dem Comic nicht nur Geld verdienen, er hatte auch eine Botschaft.
Frauen sollen die Welt regieren
Marston bezeichnete sich selbst als Feminist und sagte über seine Figur: «Wonder Woman ist Propaganda für den neuen Typ von Frau, die die Welt regieren sollte.»
Stereotyp mit Power
Den Jugendlichen seiner Zeit wollte Marston mit der Amazone eine starke, freie und mutige Person präsentieren und vermitteln, dass Frauen den Männern nicht unterlegen sind.
1944 schrieb er: «Mädchen wollen nicht Mädchen sein, solange unsere weiblichen Stereotypen keine Macht, Stärke und Kraft haben.»
Amazonen und Frauenrechtlerinnen
Die Publikationen der Frauenrechtlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts haben Marston beeinflusst.
Dass die Heldin eine Amazone war, ist deshalb kein Zufall. Die mythischen Kriegerinnen waren beliebte Figuren in der von Suffragetten verfassten Literatur.
In den frühen Comics wurde Wonder Woman immer wieder in Ketten gelegt, von denen sie sich später befreite. Ein Sinnbild für Emanzipation, das oft in den Illustrationen der frühen Frauenrechtlerinnen auftauchte. Ein Motiv, das noch im ersten Kinofilm von 2017 benutzt wurde.
Sado-masochistische Andeutungen
Zensoren sahen in den 1940er-Jahren in der gefesselten Comic-Heldin allerdings sado-masochistische Andeutungen, was nicht ganz falsch war. Denn Marston war solchen sexuellen Machtspielen nicht abgeneigt und hatte sogar ein Buch darüber geschrieben.
Wonder Woman an den Herd
Nach Marstons Tod 1947 übernahmen andere Autoren die Comic-Serie. Wonder Woman verlor ihre kämpferischen Momente, dachte übers Heiraten nach, arbeitete als Model und Schauspielerin. Später verschwanden zeitweise sogar ihre Kräfte.
Erst 1972 setzte sie wieder ein Zeichen, in Heft 203, betitelt als «Special Women's Lib' Issue». «Women's Lib'», die Kurzform für «Women's Liberation» und gleichbedeutend mit der amerikanischen Frauenbefreiungsbewegung.
Im Heft kämpfte Wonder Woman gegen die Unterbezahlung von Frauen und sexuelle Belästigung – wiederkehrende Themen bei der Heldin.
Mit miesen Ausbeutern hatte sie sich schon in den 1940ern rumgeschlagen, übergriffige Kerle kriegen auch im zweiten Filmabenteuer (2021) richtig einen auf die Nase.
In den Comics, Animations- und Kinofilmen des DC-Verlages von heute gehört Wonder Woman, die letztes Jahr 80 Jahre alt wurde, mit Superman zu den mächtigsten Heldinnen und Helden. Das wäre ganz im Sinne ihres Erfinders gewesen.