Was ist passiert? In der Nacht von Montag auf Dienstag ist in den USA der Vertrag zwischen den Drehbuchautorinnen und -Autoren der Writers Guild of America und den Produzenten und Studios ausgelaufen. Jetzt streiken die Screenwriters wieder, wie vor 15 Jahren. Damals dauerte der Streik 100 Tage und kostete rund 2 Milliarden Dollar.
Warum wird gestreikt? Weil sich die Arbeitsbedingungen der Drehbuchautoren grundlegend verschlechtert haben. 2007 hatten noch Kino- und TV-Produktionen den grössten Bedarf an Drehbüchern.
Die Auswertungskaskade von Kino- und Erstausstrahlungen über Zweit- oder Drittausstrahlungen und DVD-Verkäufe brachte den Autorinnen einen konstanten Strom an Anteilen. Wer für eine TV-Serie schrieb, war in der Regel für bis zu 24 Folgen einer Jahresstaffel beschäftigt.
Unterdessen haben die Streamingdienste den Markt komplett verändert: Serienstaffeln sind aufwändiger und gleichzeitig kürzer geworden, mit acht bis zehn Folgen pro Staffel. Zweitverwertungen gibt es kaum mehr, weil die Staffeln auf den Streamingplattformen verfügbar bleiben. Dabei bekommen die Autoren für einzelne Abrufe keine prozentualen Anteile, sondern in der Regel nur eine einmalige, vergleichsweise kleine Abfindung.
Wie wirkt sich der Streik aus? Die ersten Opfer sind die Talk- und Late-Night-Shows der Networks. Die Gag-Feuerwerke von Hosts wie Jimmy Kimmel, Steven Colbert oder Seth Meyers werden aktualitätsbezogen von Autorenteams geschrieben. Aber auch Shows wie «Saturday Night Live» werden ab sofort ausfallen.
Damit leiden zuerst die Networks und deren Publikum – zusammen mit den Produktionsteams. Die Streamingdienste, welche mit ihrem disruptiven Geschäftsmodell an der Autorenmisere vor allem schuld sind, sind noch auf Monate hinaus mit Filmen und Serien versorgt. Bei ihnen wirkt sich der Streik, wenn überhaupt, erst in ein bis zwei Jahren aus.
Warum sind die Verhandlungen zwischen den Produzenten und den Autorinnen gescheitert? Weil die Veränderungen durch die Streaminganbieter die ganze Film- und Serien-Industrie in eine Krise getrieben haben. Zwar befeuerte der Streamingboom zunächst auch die TV-Produktionen: Die Networks bauten unter anderem ihre Live-Shows aus, um den Streamern etwas entgegenzuhalten.
Doch spätestens seit der Pandemie lieferten sich die Streamingplattformen der alten Studios wie Paramount oder Disney mit den neuen Anbietern wie Amazon, Apple und Netflix einen ruinösen Konkurrenzkampf um Abonnenten. Sie verbrannten hemmungslos das Kapital ihrer Investoren.
Seit Ende der Pandemie drängen die Investoren nun auf tragbare Geschäftsmodelle. In der Folge hat allein Disney in den letzten Monaten rund 7000 Angestellte entlassen. Die Studios und die Streamer sind unter massivem Kostensenkungsdruck – alles in allem kein guter Zeitpunkt für Verhandlungen mit der Writers Guild.
Wie lange wird der Streik dauern? Die Drehbuchautorinnen und -autoren sind sich einiges gewohnt. Seit sie in der Writers Guild organisiert sind, haben sie schon sechs Mal gestreikt: Meist dann, wenn Veränderungen die Industrie unter Druck setzten.
1988 dauerte der Streik sogar 153 Tage. Auch dieses Mal könnte er Wochen oder Monate dauern, denn die Gegenseite ist heute breiter gefächert: Die TV-Networks leiden stärker und schneller unter dem Streik als die Streaminganbieter. Dafür stehen diese unter grösserem Kostensenkungsdruck.