Als Netflix vor zehn Jahren in die Schweiz kam, richtete das Unternehmen die PR-Tour für seine Streaming-Plattform mit grosser Kelle an: Netflix-Mitgründer und CEO Reed Hastings persönlich empfing Journalistinnen und Journalisten in der Penthouse-Suite eines edlen Zürcher Hotels. Und mit Neil Hunt und Ted Sarandos waren zwei weitere Top-Kader mit ins Land gereist.
Das zeigt, wie wichtig die damalige Expansion für Netflix war – neben der Schweiz startete der Streaming-Dienst auch in Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern. Denn in den ersten Jahren hiess die Devise: wachsen um jeden Preis. Das Streaming-System war auf der Hoffnung gebaut, hohe Nutzerzahlen würden zu grossen Marktanteilen und schliesslich zu grossem Gewinn führen.
Die Konkurrenz schläft nicht mehr
Um möglichst viel Publikum auf die Plattform zu holen, steckte Netflix viel Geld in aufwändig produzierte Inhalte wie etwa die Serie «Stranger Things». Oder in ungewöhnliche Formate wie die animierte Tragikkomödie «BoJack Horseman» mit einem depressiven Pferd als Protagonisten.
In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen so weit über 100 Milliarden Dollar in eigene Filme und Serien investiert – allein 2024 sind es rund 17 Milliarden. Auch deswegen, weil es mit Disney+ (2019), HBO Max (2020) oder Paramount+ (2021) immer mehr Konkurrenz-Dienste gibt, die nach und nach ihre Inhalte von Netflix abgezogen haben und nun auf den eigenen Plattformen zeigen.
Reality-TV statt ungewöhnliche Formate
Doch keiner dieser Konkurrenten konnte bis jetzt mit Netflix gleichziehen: Mit geschätzten 3.4 Millionen Nutzenden ist die Plattform in der Schweiz die klare Nummer eins. Auch in den USA beansprucht Netflix mehr als doppelt so viel vom TV-Kuchen als das zweitplatzierte Amazon Prime Video.
Die Konkurrenz hat trotzdem Folgen: Noch vor drei Jahren waren fast alle der meist geschauten Streaming-Titel bei Netflix zu sehen. Heute sind es nur noch etwas mehr als die Hälfte. Und die Konkurrenz macht es Netflix auch schwieriger, weiter zuzulegen – jedenfalls im Heimmarkt USA und in Europa.
Deshalb steht bedingungsloses Wachstum für die Plattform heute nicht mehr an erster Stelle. Lieber will Netflix das bestehende Publikum halten und gleichzeitig Kosten drücken. Der Streamer investiert darum deutlich weniger in ungewöhnliche Formate, die neue Kunden anlocken sollen, und setzt lieber auf Quantität: auf günstig produzierte Massenware wie Reality-Formate etwa. Denn je grösser die Bibliothek der verfügbaren Titel, desto mehr Gründe, Netflix die Treue zu halten.
Streaming wird wieder mehr wie klassisches Fernsehen
Auch von den anderen grossen Plattformen wollen Investorinnen und Investoren mittlerweile sehen, dass sie nicht nur wachsen können, sondern auch Geld verdienen – etwas, das bis heute noch keine von ihnen geschafft hat. Deshalb ist in den letzten Jahren die Werbung ins Streaming zurückgekehrt: Wer bei Netflix, Disney+ und Co. davon verschont bleiben will, zahlt einen höheren Preis für sein Abonnement.
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Zehn Jahre nachdem Netflix die Schweizer Fernseh-Landschaft auf den Kopf gestellt hat, sind wir also fast wieder da, wo wir angefangen haben: Der Bildschirm zeigt immer mehr Massenware und Werbung. Und weil die Inhalte heute auf viele verschiedene Plattformen aufgeteilt sind, kommen auch die Abo-Kosten denen des Bezahlfernsehens von früher gleich oder übertreffen sie gar.