«Läck mir am Tschöpli»: Nötzli, gespielt vom Schweizer Volksschauspieler Walter Roderer, kann es kaum glauben.
Nach 26 Jahren als unterwürfiger Angestellter in einem Berliner Chemiewerk hat er soeben den Karrieresprung seines Lebens gemacht: Der bünzlige Buchhalter ist zum Direktor aufgestiegen. Dank eines kleinen Missverständnisses.
Das bünzligste Zitat
Buchhalter Nötzli wurde zum wiederholten Mal von seinem Chef Müller blöd angemacht. Angeblich hatte der oberkorrekte Schweizer einen Fehler gemacht.
Als der Chef ihn nicht mehr hören kann, sagt Nötzli: «Wie reden Sie überhaupt mit mir, Herr Müller. Sie Gaggalari, sie.» «Gaggalari» ist der etwas nettere Ausdruck für Trottel.
Der Schauspieler
Ganz unten: Da hat der unvergessene Volksschauspieler Walter Roderer angefangen. Für 30 Franken pro Abend spielte er am Zürcher Schauspielhaus Nebenrollen.
1957 gründete er sein eigenes Theater. Einer seiner grössten Erfolge: Die Rolle des überpünktlichen, überkorrekten Ehemannes Willy Guggenbühl in der damals bekannten Komödie «Der Mustergatte». Unglaubliche 1288 Mal spielte er den Part. Das war Rekord.
Roderers Paraderolle fand seinen Ursprung ebenfalls im Theater: «Buchhalter Nötzli». Der Kabarettist spielte den biederen Spiesser 850 Mal. 1988 wurde die Komödie verfilmt. Über 632‘198 Zuschauer haben sie im Kino gesehen.
Bis heute ist «Ein Schweizer namens Nötzli» einer der erfolgreichsten Schweizer Kinofilme.
Walter Roderer hat sich von ganz unten bis nach oben hochgerackert. Fast wie Nötzli – sein Alter Ego. 2010 erhielt Walter Roderer den Schweizer Fernsehpreis fürs Lebenswerk. Zwei Jahre später starb der gebürtige St. Galler mit 91 Jahren.
Den Abschiedstext für seine Gedenkfeier hatte er vorab selber geschrieben. Am Schluss hiess es: «Liebe Freunde, ich sage euch jetzt nicht Adieu, sondern auf Wiedersehen. Daran glaube ich.»
Fakten, die man wissen sollte
Walter Roderer sollte am Filmset von «Ein Schweizer namens Nötzli» seinen Judo-Lehrer mit einem Schulterwurf flachlegen. Zu gefährlich, sagte «Rodis» Versicherung und stoppte das heikle Unterfangen.
Grund: es war erst der dritte Drehtag und die Unfallgefahr für den 67-jährigen Schauspieler zu gross. Roderer durfte die Sportszene dann doch noch machen, allerdings erst ganz am Ende der Dreharbeiten.
Das traut sich nicht jeder. Vor allem nicht nach einem Herzinfarkt und 5 eingepflanzten Bypässen. Chapeau!
Das Urteil
Das Herzstück von «Ein Schweizer namens Nötzli» ist der tollpatschige, aber liebenswerte Buchhalter. «Rodi» spielte den ewigen Junggesellen, der gleichzeitig naiv wie ein kleines Kind und pedantisch wie ein Beamter sein konnte, bis er in Rente ging.
Walter Roderer in dieser Rolle zu sehen, ist immer wieder schön. Es gibt aber noch einen Grund sich die Komödie anzuschauen. Sie wurde 1988 gedreht und ist heute auch ein Zeitdokument. Sie zeigt, wie streng hierarchisch die Unternehmen in den 1980er-Jahren geführt wurden.
Die Kollegen wurden gesiezt, Krawatte war Pflicht, genauso wie der hochachtungsvolle Respekt vor dem «Herrn Generaldirektor».
Heute wirken diese Umgangsformen steif und gekünstelt. Über die Abwesenheit von Frauen in Führungspositionen wollen wir gar nicht erst sprechen.