Wer Anne Hathaways Lebenslauf überfliegt, könnte zum falschen Schluss kommen, eine ungetrübte Erfolgsstory vor sich zu haben: Geboren in Brooklyn, gewann die nach Shakespeares Frau benannte Schauspielerin schon im College mehrere Preise.
Ihre erste Hollywood-Hauptrolle sicherte sie sich als Teenager: In der Mädchen-Phantasie «Princess Diaries», bei uns besser bekannt als «Plötzlich Prinzessin», mutierte sie 2001 vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan.
Der Aschenputtel-Effekt, der hier ausgeschlachtet wurde, dürfte ihr die Rolle gesichert haben, die ihre Karriere so richtig lancierte. In «The Devil Wears Prada» spielt sie ein Mauerblümchen, das lange mit dem Teufel ringt, um schliesslich als Journalistin aufzublühen.
Rendezvous mit der Ikone
Verkörpert wird der Prada tragende Teufel, mit dem sich Hathaway in der Modekomödie misst, von einer Schauspiel-Göttin: Meryl Streep. Mit 21 Oscar-Nominierungen führt die 73-Jährige die ewige Bestenliste der Academy klar an. Jack Nicholson, ihr ärgster Verfolger, kommt auf gerade einmal zwölf.
Dagegen hatte Hathaway noch kaum etwas vorzuweisen, als sie Streep 2006 schauspielerisch die Stirn bot. Umso grösser war die Überraschung, dass sie der Filmlegende in «The Devil Wears Prada» das Wasser reichen konnte. Zumal diese – wie immer – ganz in ihrer Rolle aufging und dafür immerhin den Golden Globe gewann.
Nachdem Hathaway diese Reifeprüfung bestanden hatte, durfte sie dem Publikum endlich ihre ganze Bandbreite präsentieren. Im Drama «Rachel Getting Married» bestach sie als ex-drogenabhängige Aussenseiterin, im Batman-Finale «The Dark Knight Rises» als sexy Catwoman.
Direkt danach folgte mit dem Musical «Les Misérables» der grösste Triumph: Als kurzgeschorene Fantine sang sie sich die Seele aus dem Leib, was ihr 2013 verdientermassen den Oscar einbrachte.
Wenn «Hathahaters» höhnen
Parallel zum wachsenden Erfolg auf der Leinwand wuchs allerdings auch die Missgunst in Netz. So kürte sie eine US-Website aufgrund ihres angeblich affektierten Verhaltens zur «Most Annoying Celebrity of 2013».
Auf Twitter trieb der Hass derweil seltsame Blüten. Unter einem Hashtag, der als einprägsame Wortschöpfung viral ging: #hathahater. Hier wurden die eher seltenen Misstritte Hathaways genüsslich ausgekostet: zum Beispiel ihr unglücklicher Auftritt als Moderatorin der Oscars 2011 an der Seite von James Franco.
Branchenkenner Neal Gabler begründete die diebische Freude der «Hathahaters» so: «Alles, was Hathaway tut, wirkt kalkuliert und einstudiert. Darum wird jede Niederlage der vermeintlich Perfekten als Sieg empfunden.»
Die verkannte Vielseitige
Nüchtern betrachtet, lässt sich Hathaways Klasse nur schwer bestreiten. Auch abseits der Leinwand liess sie ihr Talent immer wieder aufblitzen: Wer sie – vermeintlich betrunken – im kultigen Talk-Format «Between Two Ferns» erlebt hat, kriegt ihre eindringliche Stimme nicht mehr aus dem Kopf.
Ebenfalls sehenswert: Ihr Rap-Battle mit James Corden und ihr Werbe-Duett mit Roger Federer für Schweiz Tourismus. In letzterem hört man sie bekanntlich gar auf Schweizerdeutsch fluchen: «Mischt!»
Gute Gründe, sich zu ärgern, hat die zweifache Mutter, die seit 2019 einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame besitzt, nicht wirklich. Zumal sie unterdessen auch auf Twitter verteidigt wird – von Menschen, die sich «Hathahater-Haters» nennen.