«Minecraft» erinnert an Lego. In einem virtuellen dreidimensionalen Raum baut man allein oder gemeinsam mit anderen eine Welt aus Würfeln. Ein eigentliches Ziel gebe es dabei nicht, sagt Oliver Fritz, Professor für digitale Medien und Architekturdarstellung an der Hochschule Konstanz.
Keine Punkte, keine Belohnung: «Das einzige Ziel ist, durch das Tun glücklich zu werden», so der Professor. Ganz nebenbei lernen die Spielenden auch, sich in einem virtuellen dreidimensionalen Raum zu bewegen.
Das 2009 erstmal erschienene «Minecraft» ist das meistverkaufte Game aller Zeiten, viele der angehenden Architektinnen der Hochschule Konstanz sind damit aufgewachsen.
Welchen Einfluss haben die virtuellen Legos und vergleichbare Games wie «SimCity» auf diese neue Generation von Architekten? Dieser Frage wollte Oliver Fritz zusammen mit seinen Studierenden im Rahmen einer Blockwoche nachgehen.
Regt die Fantasie an
Mittwochnachmittag, Halbzeit der Blockwoche. 20 Studierende sitzen in Gruppen an Tischen zusammen. Alle spielen «Minecraft», aber mit unterschiedlichen Zielen: «Wir bauen mit fünf, sechs Leuten eine gemeinsame Welt», erzählt Alexander. Er geniesst es, der Fantasie freien Lauf lassen kann, ohne auf die Wünsche einer Bauherrschaft eingehen zu müssen.
Das Team von Julian gleich nebenan hat sich zum Ziel gesetzt, die Möglichkeiten von «Minecraft» mit den BIM- und CAD-Softwarewerkzeugen zu vergleichen, die in der Architektur zum Standard gehören. Dazu baut die Gruppe Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie gleich zwei Mal im Computer nach: einmal in «Minecraft» und parallel dazu mit professioneller Software.
Beide Programme haben ihre Vor- und Nachteile: «In ‹Minecraft› kann man schnell Wände setzen, aber auf Kosten der Genauigkeit», erklärt Julian. Die Wände etwa sind viel zu dick. Und weil man im Game alles mit Würfeln bauen muss, entsteht eine pixelige Welt mit vielen Ecken und Kanten.
Die Schwäche wird zur Stärke
Oliver Fritz sieht in diesem vermeintlichen Manko vor allem eine Stärke des Games. Weil die Darstellung schlecht sei, brauche es Fantasie, um sich einen Raum vorzustellen. Das Game dürfe gar keine bessere Darstellung bieten, sonst ginge der Reiz verloren: «Es ist wie beim Lesen eines Textes. Den interpretiere ich im Kopf», so der Professor.
Noch etwas gefällt Oliver Fritz: Die Bausteine im Game sind begrenzt. Wie in der richtigen Welt oder bei Lego sind die Ressourcen endlich, was die Bauenden vor zusätzliche Herausforderungen stellt.
Ein weiterer Vorteil gegenüber CAD-Programmen: Weil das Game auf eine ausgefeilte Darstellung verzichtet, ist die Software so schnell, dass man in Echtzeit miterleben kann, was die anderen gerade bauen.
Das Game hat auch Grenzen
Viele der Teilnehmenden der Blockwoche spielen «Minecraft» seit Jahren. Auch Games wie «SimCity» sind bei den Studierenden beliebt. Gemeinsam ist diesen Programmen, dass man dabei lernt, sich mit Hilfe eines zweidimensionalen Bildschirms in einer dreidimensionalen Welt zu orientieren.
Die neue Generation könne sich denn auch viel besser in digitalen Räumen bewegen, meint Oliver Fritz. Trotzdem haben physische Modelle wie Legos für ihn eine andere Qualität, weil es eine direkte Verbindung zwischen Hand und Hirn gebe.
«‹Begreifen› kommt von ‹greifen›», sagt der Professor. Er glaube, dass die Handzeichnung eine andere Qualität hat als die die Zeichnung, die ich mit der Maus mache.« Nach der Projektwoche arbeiten die Studierenden denn auch wieder mit Stift, Transparenzpapier und Modellen.