Zum Inhalt springen

Games Pokémon-Macher verraten ihre Geheimnisse

Junichi Masuda gehört zum Gründungsteam von Pokémon und hat die Marke massgeblich mitgeprägt. Sein Kollege Shigeru Ohmori ist als «Director» verantwortlich für die neusten Pokémon-Games. Im Interview plaudern die beiden aus dem Nähkästchen und verraten, wie neue Pokémon-Figuren entstehen.

Wer denkt, Pokémon sei bloss Kinderkram, irrt gewaltig: Die Medien-Franchise, besteht aus Games, TV- und Kinofilmen, Sammelkarten, Spielfiguren und allen Merchandise-Artikeln, die du dir vorstellen kannst.

Und sie ist umsatzstärkste der Welt. Bis heute wurden mit Pokémon fast 50 Milliarden Dollar (!) umgesetzt. Das ist mehr Geld, als die Star-Wars-Franchise in den letzten 40 Jahren zusammenbekommen hat. Und auch mehr Umsatz, als Harry Potter oder James Bond bisher gemacht haben.

Jemand hält ein Smartphone, auf dem «Pokémon Go» gespielt wird in die Kamera.
Legende: «Pokémon Go» hat auch heute noch gut 65 Millionen monatlich aktive Nutzerinnen und Nutzer. Reuters

Pokémon ist eine globale Erfolgsgeschichte, seit vor 1996 das erste Pokémon-Game für den Gameboy erschien. Viel davon hat mit den Pokémon-Figuren selbst zu tun. Bis heute gibt es 802 verschiedene Charaktere, mit jedem neuen Pokémon-Game werden es mehr.

Spätestens seit dem «Pokémon Go»-Hype vom letzten Sommer sind Pokémon-Namen wie Charmander (Deutsch: Glumanda), Bulbasaur (Deutsch: Bisasam) oder Pikachu in aller Munde. Doch selten hat man die Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, wie Pokémon eigentlich entstehen.

Darum war die Freude grosse, als wir an der Polymanga in Montreux Junichi Masuda und Shigeru Ohmori treffen konnten, die beide zur oberen Führungsriege von Game Freak gehören, des Unternehmens, das Pokémon entwickelt hat.

Wir würden gerne mit Ihnen über den Design-Prozess der Pokémon reden. Zum Beispiel darüber, wie lange es dauert, so eine neue Figur zu entwickeln. Wie viel Zeit vergeht von der ersten Idee bis zur endgültigen Umsetzung eines Pokémon??

Shigeru Ohmori: Es ist ein sehr langer und komplizierter Prozess, denn es gibt viele Faktoren, die man beim Design eines Pokémon berücksichtigen muss.

Audio
Wir treffen die Pokémon-Macher (SRF 3)
03:08 min
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 8 Sekunden.

Bei Pokémon, die auf dem Cover eines Games zu sehen sind, kann das von einem halben bis zu einem ganzen Jahr dauern.

Wir müssen zum Beispiel das jeweilige Pokémon in das Games einbinden – das heisst, dass wir zusammen mit dem Design gleichzeitig auch die Story des Games ausarbeiten.

Wie viele Leute sind in den Designprozess involviert? Gibt es verschiedene Teams, die sich mit verschiedenen Teilen des Prozesses beschäftigen – dem Äusseren des Pokémon, seinem Namen oder der Geschichte, die hinter der neuen Figur steht?

Ein junger Mann im Pikachu-Kostüm beisst in einen Hamburger.
Legende: Unter den Besuchern der Polymanga finden sich nicht wenige, die sich von Pokémon inspirieren lassen. Reuters

Shigeru Ohmori: Es gibt keinen festen Ablauf beim Design eines Pokémon. Alle Mitarbeiter können ihre Ideen einbringen. Natürlich haben wir eine spezialisierte Abteilung, die sich ausschliesslich mit dem Design der Pokémon befasst.

Aber Ideen für eine neue Figur können von allen kommen, seien es Programmierer oder Leute, die sonst eher administrative Aufgaben haben. Alle bringen ihre Vorschläge mit ein und wir diskutieren sie zusammen, wenn es um das Design eines neuen Pokémon geht.

Woher kommt denn die Inspiration für neue Pokémon? Gibt es Vorbilder in der Natur, lassen sich die Designer von Kunst inspirieren oder von Technologie?

Shigeru Ohmori: Die Natur spielt eine sehr wichtige Rolle. Darum besucht das Grafik- und Designteam sehr oft den Zoo oder zoologische Museen, um sich von echten Lebewesen inspirieren zu lassen. Aber auch der Ort, an dem ein Game spielt, kann das Design der Figuren bestimmen.

Die Natur spielt eine wichtige Rolle beim Erfinden neuer Pokémon. Darum besucht unser Designteam sehr oft den Zoo
Autor: Shigeru Ohmori Pokémon-Designer

Der Schauplatz von «Pokémon Sun and Moon» zum Beispiel basiert auf dem realen Hawaii. Wir haben uns angeschaut, welche Tiere auf Hawaii leben und uns davon inspirieren lassen.

Wie stellen die Designer sicher, dass ein neues Pokémon auch wirklich beim Publikum ankommen wird? Gibt es Fokus-Gruppen, an denen neue Ideen zuerst getestet werden?

Eine Szene aus dem Anime «Pokémon».
Legende: Zur Pokémon-Franchise gehört auch ein erfolgreicher TV-Anime. Reuters

Shigeru Ohmori: Wir haben keine Teams, die sich speziell mit der Popularität der einzelnen Pokémon beschäftigen. Wir hören uns auch nicht beim Publikum um, bevor wir ein neues Game veröffentlichen.

Aber natürlich schauen wir uns das Feedback an, das wir zu den vorhergehenden Games bekommen haben. Zum Beispiel, was im Internet darüber geschrieben wurde. Und davon ausgehend wissen wir ungefähr, was das Publikum mag und was es nicht mag.

Gab es schon Pokémon, bei denen man nach der Veröffentlichung feststellen musste, dass sie beim Publikum nicht ankommen? Und wenn das der Fall war: Werden Pokémon manchmal auch nach der Veröffentlichung noch angepasst und verändert?

Shigeru Ohmori: Nein, wir verändern das Design der Pokémon nicht nachträglich. Wir denken, dass jedes Pokémon zumindest ein paar Fans hat – die Leute mögen die einzelnen Pokémon schliesslich aus ganz unterschiedlichen Gründen. Eines im Nachhinein zu ändern, käme einem Betrug an seinen Fans gleich.

Ein Pokémon im Nachhinein zu ändern käme einem Betrug an den Fans gleich.
Autor: Shigeru Ohmori Pokémon-Designer

Natürlich gibt es Pokémon, die viel populärer sind als andere. Aber wir sind sicher, dass jedes Pokémon von irgendjemandem geliebt wird, darum nehmen wir auch keine nachträglichen Anpassungen vor.

Haben Sie beide ein Lieblings-Pokémon? Und wenn ja: Warum ist es ausgerechnet dieses Exemplar?

Shigeru Ohmori: Mein liebstes Pokémon heisst Wuffels (Englisch: «Rockruff», Japanisch: «Iwanko»). Ich bin ein Mensch, der Hunde mag und Wuffels ist ein Hund. Ausserdem ist er eine sehr lustige Figur, deshalb ist er mein liebstes Pokémon.

Zwei Pokémon-Figuren.
Legende: Masuda und Ohmoris Lieblings-Pokémon: Wuffels (l.) und Enton. SRF

Junichi Masuda: Mein liebstes Pokémon ist Enton (Englisch: «Psyduck», Japanisch: «Koduck»). Ich liebe sein Design: Er hat ganz runde Augen, die eigentlich nur zwei schwarze Punkte sind, und er hat nur drei Haare auf dem Kopf. Ausserdem hat er immer Kopfschmerzen, was sehr seltsam ist für ein Pokémon.

Als wir vor 20 Jahren den ersten Pokémon-Werbespot gemacht haben, war er das erste Pokémon mit einer Stimme. Und ich habe ihm damals diese Stimme gegeben. Darum glaube ich, dass zwischen uns eine Verbindung besteht.

Sie haben es selbst gesagt: Die ersten Pokémon kamen vor mehr als 20 Jahren heraus. Hat sich das Design der Figuren in dieser Zeit verändert? Sehen die Pokémon von heute noch gleich aus wie die Pokémon von vor 20 Jahren oder gab es da Veränderungen?

Zweimal Pikachu, einmal dick und einmal aktiv.
Legende: Pikachu einst und jetzt: Vom gemütlichen Moppel zur stets aktiven Sportskanone. SRF

Junichi Masuda: Vor 20 Jahren war zum Beispiel Pikachu noch nicht so fit, wie er heute ist, da war er noch eher rundlich.

Aber dann kam der Pokémon-Anime. Pikachu spielt dort eine der Hauptrollen und ist eine sehr aktive Figur, die viel rennt. Wir mussten ihn deshalb dünner machen und mehr wie einen Menschen aussehen lassen.

Im Game haben wir diese Änderung übernommen und darum ist Pikachu heute auch dort fitter als er es vor 20 Jahren war.

Pokémon ist seit über 20 Jahren eine sehr erfolgreiche Marke. Wenn Sie einen Faktor nennen müssten, der den Erfolg von Pokémon ausmacht und das Game von anderen Games unterscheidet, was wäre das?

Junichi Masuda: Ich denke es liegt daran, dass die Pokémon Charaktere mit einer umfassenden Hintergrundstory sind. Sie sind keine simplen Figuren, sondern haben alle ihre Eigenheiten. So kann sich jeder selbst in ein bestimmtes Pokémon hineinprojizieren.

Ein  B747-Jumbo-Jet der All Nippon Airways mit Pokémon Bemalung.
Legende: Pokémania: Die All Nippon Airways liessen ihren B747-Jumbo-Jet mit Pokémon bemalen. Keystone

Ausserdem entsteht für jedes Pokémon eine eigene Geschichte – die Spieler wissen ganz genau, wann sie es gefangen haben, wo sie es gefangen haben. Das macht die Pokémon zu mehr als blossen Spielfiguren.

Ich habe zu Hause eine Katze – und wie jeder Katzenbesitzer glaube ich, dass sie etwas ganz Besonderes ist, dass sie die süsseste Katze der ganzen Welt ist.

Mit den Pokémon ist es dasselbe: Jeder Spieler sich einbilden, dass seine Pokémon etwas ganz Besonderes sind.

Meistgelesene Artikel