Ein Spiesser-Ehepaar, das sich über den Härtegrad eines Frühstückseies in die Haare kriegt, ein selbstgefälliger Politiker, der während einer Rede im deutschen Bundestag auf bombastische Weise genau gar nichts sagt, und Frau Hoppenstedt, die in einer Jodelschule die Grundmotive des Erzherzog-Johann-Jodlers einübt: Sketche wie diese haben ihren Schöpfer zum weitbekannten Komiker gemacht.
Satiriker des Bildungsbürgertums
Wobei Vicco von Bülow, wie jeder Mensch, ein Kind der kulturellen Konventionen war, in die er hineingeboren wurde. «Loriot war ein bürgerlicher Satiriker, obwohl er ursprünglich aus adeligem Hause stammte», sagt der Medienhistoriker Christoph Classen. «Der Referenzrahmen des loriotschen Humors ist die bürgerliche Gesellschaft der BRD.»
Man wird die satirischen Finessen, mit denen Loriot sein Publikum entzückte, also zweifellos intensiver goutieren können, wenn man mit den Codes bildungsbürgerlichen Gebarens vertraut ist, die er in seiner Humorarbeit immer wieder mit feiner Ironie unterlaufen hat.
Loriots Komik lebt von der Fallhöhe, die sich zwischen den distinguierten, immer etwas steifen Umgangsformen seiner Figuren und den Peinlichkeiten menschlichen Missgeschicks auftun können.
Situationskomik mit Nudel
Ein Paradebeispiel dafür ist der Sketch «Die Nudel». Da geht ein höherer Angestellter in die Galanterie-Offensive. Während eines Tête-à-Tête beim Italiener trägt der von Loriot gemimte Brautwerber einer Dame eine Liebeserklärung vor. Das Problem: Während sich der vor Aufregung bebende Verehrer den Mund mit einer Serviette abtupft – «Bitte, sagen Sie jetzt nichts, Hildegard» – bleibt an seiner Unterlippe eine Nudel kleben.
Im Verlauf des Werbegesprächs wandert die Teigware über Oberlippe und Zeigefinger des Mannes, bis sie schlussendlich an seiner Nasenwurzel hängenbleibt. Ein Missgeschick, das die romantische Wirkung des Brautwerbegesprächs – «Sie fühlen es doch auch, Hildegard» – auf rückhaltlose Weise zunichtemacht.
Der loriotsche Humor spielt mit bildungsbürgerlichen Albträumen. Nun sind aber immer weniger Menschen mit den Codes des klassischen Bildungsbürgertums vertraut. Das verleiht dem einen oder anderen Sketch etwas leicht Angestaubtes. Auch die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, wie sie uns in der Mini-Groteske «Das Frühstücksei» entgegentritt, wird unter genderpolitisch sensiblen Menschen heute für hochgezogene Augenbrauen sorgen.
Essenzielle Missverständnisse
Bestimmte Aspekte der loriotschen Komik müsse man eben aus ihrer Zeit heraus verstehen, analysiert die Film- und Fernseh-Historikerin Gerlinde Waz. «Die Äusserlichkeiten bei Loriot sind aus heutiger Sicht natürlich altmodisch. Man legt seinen Mitmenschen gegenüber nicht mehr diese umständliche Höflichkeit an den Tag, wie sie bei Loriot noch gang und gäbe ist.»
Auch die Rollenverteilung sei nicht mehr so traditionell wie bei Loriot. Verstaubt sei es, «aber nur das Dekor. Die Essenz des loriotschen Humors kann nicht veralten, weil es immer um menschliche Missverständnisse geht. Die sind von zeitloser Aktualität – und deshalb wird Loriot auch immer lustig sein.»
Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Oder wie Frau Hoppenstedt es formulieren würde: «Holleri du dödel di.»