- Die Februarrevolution 1917 setzte mit Massendemonstrationen der brutalen Herrschaft des russischen Zaren ein Ende.
- Die neu entstandene liberale Republik war nur kurzlebig. Sie brach schon nach acht Monaten zusammen.
- Zum Jubiläum der Februarrevolution finden kaum Feiern statt: Die Erinnerung an den Umsturz eines autoritären Regimes scheint nicht erwünscht.
Im Februar und März 1917 setzten Massendemonstrationen und Meutereien dem blutbefleckten Regime des russischen Zaren Nikolai II. ein Ende. Diese Revolution mitten im Ersten Weltkrieg führte zu einer liberalen Republik.
Die neue Republik garantierte mehr politische Rechte als die meisten westlichen Demokratien jener Zeit. Nur acht Monate später, mit dem kommunistischen Oktoberumsturz, brach diese Republik fast geräuschlos zusammen.
Geliebte und ungeliebte Denkmäler
Auf dem Marsowo Polje, einem grossen Platz im Zentrum von Sankt Petersburg, brennt eine «ewige Flamme». Dort sind etwa 200 Demonstranten begraben, die im Februar 1917 für die Demokratie starben.
Über ihren Gräbern liess die Sowjetregierung wenige Jahre später ein einfaches Denkmal errichten. An die Februarrevolution erinnerte in der ganzen sowjetischen Ära sonst nur wenig.
Nach dem Untergang der Sowjetunion 1991 wandelte sich die Stimmung noch mehr. Das Zarentum wurde wieder entdeckt, Zarendenkmäler neu errichtet. Liebevoll gedacht wird heute uralter «Nationalhelden» oder der Kosakentraditionen.
Jetzt hat Präsident Putin vorgeschlagen, ein «Denkmal der Versöhnung» zu erbauen, das die «Roten» – die Kämpfer gegen das Zarentum – genau so ehren soll wie die Weissen – die Verteidiger des Zarenreichs.
Zarensturz – kein Grund zum Feiern
Zum 100. Jahrestag der Februarrevolution finden in Russland, aber auch in der Ukraine, kaum Feiern statt. Einer Meinungsumfrage im Januar 2017 zufolge sehen gerade einmal 13 Prozent der Befragten den Sturz des letzten Zaren positiv.
Warum ist die Februarrevolution Putin und seinen Anhängern egal? Zweifellos ist es ein schwieriges Erinnern. Gescheitert sind die Revolutionäre des Februars 1917 nicht nur wegen der Offensive der äussersten Linken. In erster Linie haben sie sich ihren Untergang selber zuzuschreiben.
Proteste sind verdächtig
Die «Provisorische Regierung» von Liberalen und gemässigten Sozialisten geriet immer mehr in Widerspruch zur Stimmung der Bevölkerung: Die neuen Machthaber wollten weiterhin im Ersten Weltkrieg mitkämpfen. Sie verzögerten die ersten freien Wahlen und auch die sozialen Reformen.
An die Geschichte dieses fatalen Scheiterns möchte Putin nicht erinnern. Aber das ist nicht alles. Volksproteste, die zum Sturz einer Regierung führen, sollen eher nicht als erstrebenswerte Ziele gefeiert werden.
Die Februarrevolution richtete sich gegen autoritäre Politik, gegen die Übermacht einer kleinen politischen und wirtschaftlichen Elite, als weite Teile der Bevölkerung verarmten. Das erinnert an die Situation in Russland heute.
Störfaktor in einem imperialen Projekt
Demgegenüber steht das, was die russische Regierung als die Geschichte des Landes propagieren will: Russlands neuere Geschichtspolitik setzt auf Grossmachtideen – unabhängig davon, wer das Imperium voranbrachte. Damit lassen sich auch die politischen Gegensätze der Vergangenheit auflösen.
Die Zaren, ihre Premiers und Generäle können unbefangen neben Lenin und Stalin stehen. Die Februarrevolution erscheint in diesem Geschichtsbild lediglich als Störfaktor in einem zeitlosen imperialen Projekt.
Sendung: Kontext, 16. März 2017, 9 Uhr.