YouTube-Star wird nicht jeder. Man muss sich an die Regeln der Plattformen halten. Und die sind undurchsichtig. Ein Gespräch mit einem Digitalexperten über das Los der YouTube-Stars und die Macht und Verantwortung der Plattform, die 2005 gegründet wurde.
SRF: Am Anfang von YouTube standen Amateuraufnahmen. Das erste Video zeigt Jawed Karim, einen der Gründer der Plattform, vor einem Elefantengehege. Welche Rolle spielen Amateuraufnahmen heute noch?
Philippe Wampfler: YouTube ist eine typische digitale Plattform. Wie bei AirBnb oder Uber hat man das Gefühl, dass es eigentlich etwas von Amateuren für Amateure ist. Aber das ist schon lange nicht mehr so. Es wirkt nur noch so. Ein Image.
Welche Art von Stars hat YouTube hervorgebracht?
Bei YouTube-Stars hat man das Gefühl, dass man die Person kennt, dass sie zum Bekanntenkreis gehört. Das gab es schon bei Telenovelas und Soaps, aber bei den YouTube-Stars ist es viel stärker.
Die Realität ist: Wenn ich einfach etwas ins Internet stelle, schaut es niemand an.
Sie sprechen zum Publikum und zeigen, dass sie darauf angewiesen sind, dass es «Like» drückt oder Feedback gibt. Man hat den Eindruck, die Person redet direkt zu einem. Diese Art von Angesprochensein unterscheidet sich von herkömmlichen Medien wie dem Fernsehen.
Hat YouTube zu einer medialen Demokratisierung geführt?
Um wahrgenommen zu werden, braucht es bestimmte Mechanismen und Investitionen. Dieser «American Dream» – eigentlich kann das jeder schaffen – ist eine Illusion.
Viele Leute denken: Wenn ich etwas ins Internet stelle, können das alle anschauen. Die Realität ist: Wenn ich etwas ins Internet stelle, schaut es niemand an, wenn ich nicht etwas unternehme, das die Aufmerksamkeit dorthin lenkt.
Ich würde sagen: Man kann niemandem verwehren, einen Inhalt auf YouTube zu stellen. Das ist die Demokratisierung. Aber die Aufmerksamkeit in Bezug auf die Inhalte ist überhaupt nicht demokratisch verteilt.
Wie hart ist es, ein YouTube-Star zu sein?
Bei den sehr erfolgreichen ist es eine Vollzeitbeschäftigung für ein ganzes Team, wie bei einer Fernsehredaktion. Man muss überlegen, was man im nächsten Video macht und es in guter Qualität aufnehmen, schneiden. Man muss Community-Management machen und auf Kommentare reagieren. Ein riesiger Druck, weil man ständig messbar ist.
Das gibt Stress, über den sich viele dieser Stars auch beklagen. Aber man darf das natürlich von aussen nicht wahrnehmen.
Meine Forderung ist schon länger, dass YouTube in jedem Land eine Ansprechperson haben müsste, die für die Inhalte geradesteht.
In den USA ist es ein riesiger Trend, eher mal zu sagen, mir geht’s überhaupt nicht gut. Ich habe dieses und jenes Problem, darüber möchte ich jetzt hier auch reden. Das ist ein Ventil. Aber der Druck, das auf eine Art zu machen, die dann trotzdem wieder wahrgenommen wird, ist auch da.
YouTube-Stars unterhalten. Immer wieder überschreiten manche aber auch ethische Grenzen. Wie kann man verhindern, dass sie die riesige Reichweite missbrauchen?
Aus meiner Sicht müssten die grossen Konten professionell betreut werden. Man müsste ihre Beiträge redaktionell sichten und Qualitätskontrollen machen. Insbesondere die Algorithmen, die die Sichtbarkeit steuern, müssten von einer Redaktion verantwortet werden.
Meine Forderung ist schon länger, dass YouTube in jedem Land eine Ansprechperson haben müsste, die für die Inhalte geradesteht. Denn de facto entscheidet YouTube nach journalistischen Kriterien, sagt aber nicht, nach welchen. Das ist ein Problem.
Das merken auch die YouTube-Stars, etwa wenn es um die Regeln geht, nach denen sie monetarisiert werden. Die ändern sich ständig und das führt immer wieder zu anderen Anreizen. Ein willkürliches System, über das sich viele beklagen. Aber letztlich sind sie doch abhängig von YouTube und dem vielen Geld, das zur Verfügung steht.
Das Gespräch führte Markus Tischer.