Es war dramatisch. Die Gegner und Gegnerinnen der Rechtschreibereform sparten nicht mit Pathos: Von «Terrorismus durch Orthografie» war die Rede. Journalist Günter Wallfraff befürchtete «Schreibverhunzungen», Marcel Reich-Ranicki witterte gar «eine nationale Katastrophe».
Die Deutsche Sprache drohte vor die Hunde zu gehen – glaubt man der 1996 erschienen «Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibereform». Etwa 100 Schriftsteller, Autorinnen und Wissenschaftler forderten damals, die Rechtschreibreform müsse gestoppt werden.
Sinn und Unsinn neuer Regelungen
Es ging um Fragen wie diese: Soll man weiterhin «Greuel» schreiben? Oder «Gräuel», wie es die Rechtschreibereform wollte ? Es folgten heftige Kontroversen und Proteste.
In verschiedenen deutschen Bundesländern gab es Klagen bei Verwaltungsgerichten. Bei der Zeitschrift Spiegel schaffte es die Rechtschreibreform aufs Cover. Mit einem dramatischen Appell: «Schwachsinn Rechtschreibreform – Rettet die deutsche Sprache!» titelte der Spiegel.
Schreckgespenst Majonäse
Der Tenor der Reformgegner- und Gegnerinnen war klar: Die Rechtschreibreform sei eine staatliche Nötigung, die Sprache ein Kulturgut, das es zu verteidigen gelte.
Manche sahen gar das Abendland bedroht, wenn sich die Kommaregeln ändern oder man Mayonnaise mit «j» schreiben soll. Oder noch schlimmer: Philosoph mit «f» statt mit «ph».
Das Hickhack um die Reform war heftig dauerte lange. Manche Änderungen wurden aufgrund des Widerstandes zurückgezogen. Die Gegner konnten den «Filosofen» und die «Majonäse» verhindern.
Vieles aber hat sich durchgesetzt. Und das Abendland ist bis dato nicht untergegangen. Heute, 25 Jahre später, wirken der feurige Streit und die herbeifantasierten Schreckensszenarien fast schon skurril.
Und wieder wird über Schreibweisen gestritten
Dabei wird heute genauso leidenschaftlich und heftig über korrektes Schreiben gestritten. Besonders obsessiv ist die Debatte um das Gender*sternchen.
Es vergeht keine Woche, in der sich nicht in irgendeinem Feuilleton ein Journalist, eine Journalistin am Sternchen abarbeitet. Es ist fast schon ein eigenes Genre: Der feingeistige Text darüber, warum das Gender*sternchen entweder die Wurzel allen Übels oder der Anfang aller Gerechtigkeit sei.
Auch der Spiegel ist wieder mit dabei: Diesen Frühling fragte die Headline auf dem Spiegelcover dramatisch: «Ist das noch Deutsch? Der Kulturkampf um das Sternchen.»
Kontroversen darüber, wie man schreiben soll: Mit etwas zeitlicher Distanz wirken sie immer ein bisschen over the top.
Und jetzt dürfen Sie sich über das Englisch aufregen.