Sie war eine Ikone: Heidi Abel war während 30 Jahren das Gesicht des Schweizer Fernsehens. Ihre frühere Arbeitskollegin Helen Issler über eine Ausnahmeerscheinung, der im Schweizer TV der 1970er- und 1980er-Jahre trotzdem nicht alle Türen offen standen.
SRF: Heidi Abel hat von 1954 bis zu ihrem Tod 1986 Schweizer Fernseh-Geschichte geschrieben. Was hat sie einzigartig gemacht?
Helen Issler: Ihre Ausstrahlung. Ihre Echtheit. Ihr Engagement. Ihre Persönlichkeit als Ganzes.
Heidi Abel war das weibliche Aushängeschild des Schweizer Fernsehens. Trotzdem musste sie mehr als 20 Jahre auf eine Festanstellung warten. Überrascht Sie das?
Das Fernsehen ist mit Heidi Abel gross geworden. Aber man hat Heidi Abel nicht wie eine Grosse behandelt.
Sie musste immer auch um Arbeit kämpfen. Sie hat zum Beispiel, als ich ein Kind bekam, für mich Regionalnachrichten gelesen.
Heidi Abel hat Regionalnachrichten gelesen?
Das war ein schockierendes Erlebnis für mich. Dass so eine Grösse nicht mal genügend Arbeit hatte. Sie war in der Unterhaltung. Da wurden Sendungen gemacht und wieder abgesetzt. Sie hatte nie den ganz festen Platz.
Man hat ihr auch einmal gesagt, so langsam sei sie zu alt für die Unterhaltung. So etwas passiert Männern nie! Heidi Abel hatte zeitweise sogar Existenzängste.
Heidi Abel war vor allem in der Unterhaltung tätig. Auch für ihre Kinder- und Jugendprogramme war sie bekannt. Verwehrt blieb ihr das politische Magazin. Lag das daran, dass sie eine Frau war? Oder fehlte ihr, wie Kurt Aeschbacher im Dokumentarfilm über Heidi Abel durchblicken lässt, der Wille, sich vertieft in ein politisches Dossier einzuarbeiten?
Ich möchte ihm da widersprechen. Heidi Abel hat sich immer auch für Politik, für die Umwelt, für die Menschen, für Soziales interessiert. Aber sie ist halt als Ansagerin zum Fernsehen gekommen. Man hat sie damals als Schätzchen wahrgenommen.
Sie hat keine Redaktionsausbildung gemacht. Aber sie war eine blitzgescheite Frau. Man hat beim «Telefilm» gesehen, wie vertieft sie mit Leuten sprechen konnte. Sie hätte diese Kapazität gehabt. Davon bin ich überzeugt.
Im Dokumentarfilm von Felice Zenoni beschreiben nicht nur Kurt Aeschbacher, sondern auch andere Weggefährten Heidi Abel immer wieder als «chaotisch» und «schusselig«. Nehmen wir an, Heidi Abel wäre ein Mann gewesen. Würde man da gleiche Adjektive wählen – oder wäre das dann ein «kreatives Genie» gewesen?
Sie sagen es. Ich habe sie nicht als schusselig, sondern als spontan erlebt. Als «Last-Minute-Frau», klar. Aber sie konnte das. Sie kam rein und hatte alles schon intus. Und wenn die Kamera lief, war sie voll da.
Der Film zeigt recht schön, wie diese Männer sie einteilen. Und wie sie Anekdoten erzählen, die mehr über sie aussagen als über Heidi Abel.
Der Dokumentarfilm zeigt auch bisher unveröffentlichtes Material. An einer Stelle sagt Heidi Abel, sie fühle sich «vom Publikum aufgefressen». Es gab geradezu Völkerwanderungen an ihren Wohnort am Lützelsee im Zürcher Oberland. Das muss beängstigend gewesen sein.
Das war so. Ich durfte zum Schluss ihres Lebens ein paar intensive Telefongespräche mir ihr führen. Heidi hat mir damals gesagt: «Ich habe mich damals viel zu wenig abgegrenzt. Ich habe mich viel zu wenig gewehrt.»
Sie wurde relativ wenig begleitet und unterstützt. Aber das hat sie niemandem vorgeworfen. Sie war nicht verbittert.
Das Gespräch führte Sandra Leis.