Der Aargau hatte ein Kulturfördergesetz lange bevor die Eidgenossenschaft so weit war. Aufbruch, Wandel, Verunsicherung prägten die Zeit Ende der 60er Jahre. Und dieser Geist prägte auch das Aargauer Kulturfördergesetz, erzählt Rolf Keller, der heutige Leiter des aargauischen Kulturfördergremiums.
Am Anfang aber stand die Angst: Die Suche nach dem Eigenen markierte den Beginn des Aargauer Kulturgesetzes. Schon ab Mitte der 50er Jahre gab es entsprechende Vorstösse im Parlament.
Und damals waren äussere Bedrohungen die treibende Kraft, wie Keller erläutert: Auf internationaler Ebene das kommunistische Sowjetsystem, innerhalb der Schweiz die Befürchtung, neben den grossen Städten Zürich, Basel und Bern ins Hintertreffen zu geraten. «Man hatte Angst, dass der Aargau verbaslere, verzürchere oder verbernere und wollte deshalb ein Gegengewicht setzen.»
Die Welt im Wandel
Mit dieser Angst stand der Kanton Aargau nicht alleine da: In vielen Kantonen machten sich Politik und Behörden Gedanken, wie man die eigene Kultur fördern könnte.
Denn die Welt war im Wandel. Die Wirtschaft boomte, die Leute kauften sich Autos und Fernseher; sie fuhren in die Ferien und holten sich die weite Welt via TV in die gute Stube; und die Jugend hörte die Beatles.
«Die Entwicklung in den 60er Jahren hat sich mit dem Freizeitangebot und der Jugendkultur bemerkbar gemacht», sagt Keller. Während Kunst und Wissenschaft vorher Privaten vorbehalten gewesen sei, merkte der Staat jetzt: «Da liegt eine Aufgabe für uns und da müssen wir investieren.»
In der Kulturpolitik habe man zuvor in erster Linie um religiöse- und schulische Fragen diskutiert. Jetzt kamen Fragen auf wie: Was sollten Kantone fördern? Und welche Künstler?
Denn man wollte den Leuten im Aargau etwas bieten: Sie sollten nicht nur fernsehen und in die Ferien fahren, man wollte sie ein stückweit zu sinnvoller Freizeitgestaltung erziehen, erklärt Keller: «Die Leute sollten merken, was dieser Kanton ihnen kulturell zu bieten hat, und man wollte die Volkskultur pflegen; nicht in einem nur rückwärtsgewandten Sinn, sondern auch übertragen auf neue Themen.»
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Angst vor Staatskultur
Kritiker links wie rechts befürchteten, die Politik könnte die Kultur mit dem neuen Gesetz instrumentalisieren.
Der Aargau schaffte deshalb den kantonalen Sonderfall: ein Gremium von Fachleuten wurde gewählt, dem die Förderung von Kulturprojekten überantwortet wurde: das Aargauer Kuratorium.
«Man hat Fachleute gesucht, weil man keine Staatskultur wollte. Die Kultur sollte frei von politischen und ideologischen Beeinflussungen gefördert werden», sagt Leiter Rolf Keller.
Das war vorbildhaft: Ein Gesetz zur Finanzierung zur Kultur, bei dem Fachleute entscheiden, welche Kultur gefördert wird, und bei dem die Regierung und das Parlament nur das Budget bestimmen.
Und heute?
Ein halbes Jahrhundert später ist im Aargau wie in so vielen Kantonen Sparen angesagt – auch beim Kuratorium. Ausserdem hat bei besonders prestigeträchtigen Projekten der Kanton das letzte Wort und gibt hierfür auch mehr Geld aus.
Steht das Aargauer Kuratorium also im Gegenwind? Präsident Rolf Keller winkt ab: Kritik habe es immer gegeben, und: «Wenn alle Seiten einigermassen unzufrieden sind und wir auf allen Seiten anecken, heisst das, wir sind gut eingemittet und machen es richtig.»