Antijudaismus gelte als «Geburtsfehler des Christentums»: An seiner Laudatio zum Jubiläum des Judaistik-Instituts in Luzern bedauert Kurt Kardinal Koch, dass es erst zum beispiellosen Verbrechen der Shoah kommen musste, bis sich die Kirche vom Antijudaismus abkehrte. Dabei sei «unsere Beziehung zum Judentum doch die engste überhaupt».
Judentum als offene, moderne Religion
Heute redet die Kirche anders übers Judentum. Das hat auch mit der Ausbildung von Theologinnen und Religionslehrern in Judaistik zu tun. Seit 1971 durchliefen diese jüdische Schule nun schon mehrere Generationen von Kirchenpersonal. Kurt Koch gehörte selbst dazu.
Einige 100 Luzerner Studentinnen und Studenten nutzten bereits die Möglichkeit, in Jerusalem zu studieren. Dort lernen sie das Judentum als lebendige, moderne Religion kennen. Oder auch, wie man auf Neu-Hebräisch einen Kaffee bestellt.
Interesse auch im Ausland
Zu verdanken ist das alles auch dem ersten Professor für Judaistik in Luzern: Clemens Thoma (1932-2011). Der Steyeler Missionar kämpfte zeitlebens für eine faire Sicht auf das Judentum.
Thoma konnte die Lehre Jesu ganz aus dem Judentum heraus erklären. Das war neu und zog viele Wissbegierige an, auch aus dem Ausland.
Seit 2001 ist Verena Lenzen Institutsleiterin. Der Professorin gelingt es immer wieder, bedeutende Gastdozierende an den Vierwaldstättersee zu locken: Tom Segev sowie Rabbinerinnen und Rabbiner wie Elisa Klapheck oder Aleida und Jan Assmann gehören dazu.
Antisemitismus als Sünde
Prominent war auch der Jubiläumsredner: Kurt Kardinal Koch. Er ist im Vatikan zuständig für den Dialog mit anderen Kirchen und mit dem Judentum. Sein «Ministerium» verdankt sich den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils Ende der 1960er-Jahre.
«Das Konzil sagte kategorisch ‹Nein› zu allen Formen von Antisemitismus. Und entschieden ‹Ja› zum Erbe, das die Kirche mit den Juden gemeinsam hat», so Kurt Kardinal Koch.
Damit vollzog die römisch-katholische Kirche eine 180-Grad-Wende. Ab jetzt nennt sie Antisemitismus klar Sünde. Auch aktiver «Judenmission», also das «Bekehren» von Jüdinnen und Juden, erteilt die römisch-katholische Kirche eine Absage.
Respektvollen Dialog fördern
Nicht mehr «Taufe oder Tod» sollten drohen, sondern echter Dialog blühen. Darum auch der heutige Name des Luzerner Instituts für «Jüdisch-Christliche Studien».
Nur in einem solchen Klima des Respekts können sich jüdische Gelehrte auf den Dialog mit Christinnen und Christen einlassen.
Judentum gilt nicht mehr als defizitär
Dass der Kampf gegen Antisemitismus immer noch nötig ist, belegen die antisemitischen Gewalttaten in Europa und antijüdische Fake-News im Netz. Der Auftrag des kleinen Instituts in Luzern geht weit über kirchliche Anliegen hinaus.
So hat sich die Judaistik zu einem eigenständigen Fach entwickelt. Sie ist keine christliche «Hilfswissenschaft». Vielmehr leistet Judaistik einen selbstbewussten Beitrag im Konzert der Kulturwissenschaften.