Der digitale Wandel durchdringt die Art, wie wir konsumieren. Wir kaufen online ein, immer häufiger. Geben dabei Informationen über uns preis.
Anbieter wissen diese zu nutzen: Wenn wir nach einem Flug oder Hotel suchen, merkt sich das System, wenn wir das Angebot mehrmals anklicken und damit Interesse zeigen. Das System weiss wahrscheinlich auch, wenn wir in einer guten Gegend wohnen und einen teuren Computer benutzen. Der Preis fällt dann teurer aus als für andere.
Bezahlt am Schluss der Reiche mehr und der Arme weniger?
Bei Flug- und Hotelbuchungen hat sich diese Praxis etabliert. Im herkömmlichen Handel kennen wir sie aber noch nicht. Das kann sich ändern, sagt Soziologe Dirk Helbing: «In Zukunft kann es passieren, dass wir vor einem Regal stehen und andere Preise angeboten bekommen als jemand anders. Dabei könnte berücksichtigt werden, wie gross unsere Zahlungsfähigkeit ist – also letzten Endes, wieviel Geld wir auf dem Konto haben.»
Da stellt sich die entscheidende Frage, wie die Grossverteiler das Wissen über unseren Kontostand verwerten. Bezahlt am Schluss für das gleiche Produkt der Reiche mehr und der Arme weniger? Bietet diese Praxis gar die Möglichkeit für eine neue Form eines gesellschaftlichen Ausgleichs?
Oder ist es umgekehrt?
Der Soziologe Dirk Helbing bezweifelt, dass es um Gerechtigkeit geht. Das Gegenteil ist genauso möglich, sagt er: «Es könnte ja auch sein, dass Unternehmen gerade die zahlungskräftigen Kunden an sich binden möchten und ihnen Sonderangebote machen, anstatt dass sie mehr bezahlen müssen. Das wäre dann natürlich besonders ungerecht.»
Das Problem ist: Wir wissen nicht, wer wieviel bezahlt. Denn wir sehen nicht, wie die Preise zustande kommen. Fragt man bei Schweizer Grossverteilern nach, erfährt man nur wenig. Coop sagt, dass es bei ihnen in absehbarer Zeit keine individuellen Preise geben werde.
Personalisierte Vergünstigungen sind schon da
Die Migros hingegen gewährt Cumulus-Kunden bereits jetzt persönliche Rabatte anhand der gesammelten Daten. Die Kunden, die ihre persönlichen Einkaufsdaten preisgeben, bezahlen also schon für einige Produkte weniger. Und diejenigen, die nicht zu gläsernen Kunden werden wollen, bezahlen mehr.
Beiträge zum Thema
Wer wieviel weniger bezahlt, legt die Migros nicht offen. Es könnte also genauso sein, wie der Soziologe befürchtet: Dass die grössten Rabatte an die gehen, die vor allem die teuren Sélection-Produkte kaufen – also an diejenigen, die wahrscheinlich mehr Geld auf dem Konto haben.
Transparenz ist gefordert
Für Dirk Helbing bräuchte es nun Transparenz, wie die Preise zustande kommen. Legen die Anbieter dies nicht offen, fehle irgendwann das Vertrauen der Kunden, sagt er. Und ohne Vertrauen funktionierten die Märkte nicht: «Was passiert, wenn das Vertrauen verlorgengeht, konnte man auch bei der Finanzkrise sehen. Das hat uns viel Geld gekostet, und wir haben es immer noch nicht überstanden.»
Dass die Unternehmen ihre Karten offenlegen, ist schlussendlich also nicht nur im Dienste der Kunden. Helbing sieht in der digitalen Transformation denn auch «riesige Chancen, für die Wirtschaft und für die Konsumenten». Bedingung sei aber, dass man nicht versuche, sich gegenseitig auszutricksen. Sondern dass man Bedingungen schaffe, von denen alle profitieren.
Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Fänden Sie es in Ordnung, dass gewisse Kunden weniger bezahlen, sofern dies offen dargelegt wird? Oder sollen alle gleich viel für das gleiche Produkt zahlen? Schreiben Sie hier Ihren Kommentar!