Als in der Schweiz am 7. Februar 1971 die Korken knallten und die Frauen auf ihr neu gewonnenes Stimm- und Wahlrecht anstiessen, herrschte auch im benachbarten Liechtenstein Aufbruchstimmung. Auch im Fürstentum war das Stimmrecht für Frauen seit Jahren ein Thema.
Umso grösser war der Schock, als sich am 28. Februar, drei Wochen nach der Abstimmung in der Schweiz, die Stimmbürger Liechtensteins – ausschliesslich Männer – mit 51 Prozent gegen das Frauenstimmrecht aussprachen. Selbst der damalige Erbprinz Hans Adam äusserte seine Verwunderung: «Eigentlich ist das ein Kuriosum, dass der Fürst sich dafür ausgesprochen hat, ebenso seine ganze Familie, die Regierung, das Parlament, beide Parteien und trotzdem die Mehrheit der Männer immer Nein gestimmt hat.»
«Wir schämen uns für euch»
Als einige Tage später Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums einen Protestmarsch durch Vaduz veranstalteten, kam es zu wüsten Szenen. Teilweise maskierte Zuschauer rissen Plakate nieder mit Aufschriften wie «Wir schämen uns für euch» oder «Wir zweifeln an der männlichen Vernunft.»
Weil für eine Verfassungsänderung nur 81 Stimmen gefehlt hatten, legte das Parlament schon zwei Jahre später die Frauenfrage wieder vor. Doch diesmal waren sogar 55,9 Prozent der Männer dagegen, darunter auch auffallend viele Erstwähler. Gründe für die späte Einführung des Frauenstimmrechts gab es einige in Liechtenstein.
Männer hatten Angst vor Frauen
Das Land war katholisch, konservativ geprägt. Im damit verbundenen patriarchalen Frauenbild legte man wenig Wert auf Ausbildung der Mädchen. Als Folge bildete sich lange keine Frauenrechtsbewegung. Viele Männer fürchteten zudem, dass eingeheiratete Ausländerinnen, die durch Heirat mit einem Liechtensteiner bis 1984 automatisch das Bürgerrecht erwarben, bald das Sagen haben könnten. Und schliesslich fehlten schlicht die fortschrittlichen Städte und die welschen Kantone, sagte Helene Marxer, eine der Mitbegründerinnen der Aktion Dornröschen, eine Organisation, die nun zunehmend politisch aktiv wurde.
Ihre Klage vor dem Staatsgerichtshof wurde abgewiesen, unter anderem mit einem Zitat aus dem Neuen Testament «Das Weib schweige in der Gemeinde», sagt der Apostel Paulus dort. Doch die Dornröschen-Aktivistinnen schwiegen nicht. Zwölf von ihnen zogen bis zum Europarat und beklagten sich dort öffentlichkeitswirksam über die Geschlechterapartheid im Fürstentum.
Alle guten Dinge sind drei
Der aussenpolitische Druck wirkte. Schon 1976 hatte eine Verfassungsänderung die Einführung des Frauenstimmrechts auf Gemeindeebene ermöglicht, und am 1. Juli 1984 wurde das nationale Frauenstimmrecht im dritten Anlauf endlich angenommen, mit knappen 51,3 Prozent. Die Frauen reagierten eher erleichtert als euphorisch: «Wir sind froh, dass uns die Männer das gegeben haben.»
Allerdings dauerte es weitere acht Jahre, bis die Gleichberechtigung in die Verfassung aufgenommen wurde. Und erst seit 1999 gibt es ein Gleichstellungsgesetz. Immerhin hatten die Liechtensteinerinnen damit noch vor der Jahrtausendwende erreicht, was in Finnland schon seit 1906 gilt.