Ruhig liegt es da, das Vallée de Joux. Eingebettet zwischen dem Mont Tendre und dem Mont Risoux nahe der französischen Grenze auf 1000 Meter über Meer.
Zwei Seen prägen das Hochtal, der Lac de Joux und der Lac Brenet. Im Winter sind die Seen jeweils dick zugefroren. Sie lieferten früher den Rohstoff für eines der grössten Eisabbaugebiete Europas.
Sauber und hart – der perfekte Eiswürfel
Im 19. Jahrhundert war natürlich abgebautes Eis ein gefragtes Gut. Brauereien brauchten das Eis, um die Gärung des Biers zu kontrollieren. Spitäler, um die immer empfindlicheren Medikamente kühl zu lagern. Schliesslich auch Privathaushalte, um in den so genannten Eiskästen die Lebensmittel besser aufzubewahren. Doch für Eiswürfel musste ein ganz besonderes Eis in Trinkwasserqualität her.
Der Lokalhistoriker Rémy Rochat erzählt, das Wasser in den Seen des Vallée de Joux sei damals sehr sauber gewesen. Mikrobiologische Analysen hätten das bestätigt. Und das Eis sei sehr hart gewesen: Perfekt, um daraus Eiswürfel für Getränke herzustellen.
Per Bahn ins Glas
Die Eiswürfel aus dem Lac Brenet waren beliebt. Bis ins ferne Paris reichte ihr Ruf. Die «Société des Glacières» lieferte ihr Eis per Bahn, direkt in die Gläser der High Society.
Denn wer es sich leisten konnte, in der «Belle Époque» im ausgehenden 19. Jahrhundert, der liess es sich gut gehen. Dick eingepackt, isoliert mit Sägemehl und Stroh, erreichte die wertvolle Fracht aus dem Vallée de Joux das sommerliche Paris.
Anstrengend und gefährlich
Was den Sommer in Paris auflockerte, war Monate zuvor im Jura in harter Arbeit abgebaut worden. Ungeduldig hatten die Eisstecher im Winter darauf gewartet, bis das Eis dick genug war auf dem Lac Brenet.
«20 Zentimeter mussten es mindestens sein», erzählt Rémy Rochat: «Dann gingen jeweils etwa 20 Männer auf den See hinaus, ausgerüstet mit grossen, schweren Sägen».
Diese waren mannshoch und mit scharfen Zacken versehen. Zu zweit sägten die Männer die Eisblöcke aus – eine nicht ganz ungefährliche Arbeit, umgeben vom kalten, dunklen Wasser.
Lange erfolgreich trotz Kühlmaschinen
Die Eisblöcke wurden am Ufer in grossen Lagerhallen aufgereiht. Diese waren an einem schattigen Nordwesthang gebaut worden und gut isoliert. Das Eis konnte so bis in den Sommer hinein aufbewahrt werden, ohne künstliche Kühlung.
Das harte Geschäft hielt sich erstaunlich lange, bis in die 1940er-Jahre. Kühlmaschinen waren zwar schon längst erfunden. Doch so gutes und hartes Eis wie aus dem Vallée de Joux, gut genug für die Pariser High Society, konnte lange Zeit keine Maschine herstellen.