Bei einer Online-Veranstaltung der Jüdischen Liberalen Gemeinde in Zürich haben antisemitische Aktivisten das virtuelle Treffen mit Hitler-Fotos, pornografischen Szenen und anderen obszönen Darstellungen attackiert.
Wie solche Vorfälle vermieden werden können, erklärt Toralf Staud. Der deutsche Journalist und Autor hat ein Buch über Neonazis geschrieben und darin aufgezeigt, wie gut vernetzt die rechtsextreme Szene im Internet ist.
SRF: Herr Staud, wie beurteilen Sie die virtuelle Attacke auf die Online-Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde?
Toralf Staud: Das war ein sehr ernst gemeinter Angriff – was aber leider nichts Neues ist. In Deutschland häufen sich solche Zoom-Bombing-Vorfälle derzeit.
Zoom-Bombing?
Genau. Ein Grossteil des sozialen Lebens findet ja seit gut einem Jahr virtuell statt. Das haben auch Rechtsextremisten und Neonazis gemerkt. Deshalb gehen sie jetzt dorthin, wo sie ihre Feinde und Feindbilder finden. Sie stören gezielt Online-Veranstaltungen, so wie jetzt in Zürich.
Im Internet können Angreifer mit geringem Risiko und grosser Wirkung attackieren.
Wie kann es denn sein, dass diese Neonazis überhaupt von der virtuellen Eröffnung dieses kleinen jüdischen Museums erfahren haben?
Sie lesen davon auf Facebook oder Twitter und durchforsten natürlich auch Zeitungen und andere Medien. In diesem konkreten Fall gab es zu dieser Veranstaltung eine Einladung mit Link zum Zoom-Meeting. Es war also ganz einfach, sich dort einzuwählen.
Grundsätzlich gibt es aber auch Foren im Internet, wo sich Rechtsextremisten treffen. Orte, wo sie sich austauschen, solche Einladungen weiterverbreiten und sich dann zum Stören verabreden.
Die Veranstalterin des Online-Events der Jüdischen Gemeinde sagte, dass sie vergeblich versucht habe, die Angreifer rauszuschmeissen. Es kamen aber immer mehr dazu.
Ja, im virtuellen Raum sind die Wege kurz. Die ganze Welt ist nur ein oder zwei Klicks entfernt. Deshalb halte ich es auch nicht für unwahrscheinlich, dass auch Neonazis aus anderen Ländern dort waren. Das ist ja der Vorteil von virtuellen Veranstaltungen: Man kann sich von überall zuschalten.
Ein offen zugänglicher Zoom-Link ist wie ein Treffen auf der Strasse: Es können auch unangenehme Leute vorbeikommen.
Die Täter des Zürcher Zoom-Bombings wurden bis heute nicht gefasst. Warum ist es so schwierig, solche Angreifer im Netz zur Rechenschaft zu ziehen?
Im Internet kann man anonym auftreten. Unter einem Pseudonym, über verschlüsselte Verbindungen oder über besondere Server. Das macht es extrem schwierig, einen realen Täter zu ermitteln.
Andererseits macht es das aber attraktiv für Täterinnen und Täter, dort aufzutreten. Sie können mit geringem Risiko und grosser Wirkung attackieren.
Was sind die wichtigsten Punkte, die ein Veranstalter beachten muss, um Zoom-Bombing zu verhindern?
Das Allerwichtigste ist, sich vorher zu überlegen: Würde ich diese Veranstaltung auch in der realen Welt an der Strassenecke stattfinden lassen? Denn ein offen zugänglicher Zoom-Link ist wie ein Treffen auf der Strasse: Es können auch unangenehme Leute vorbeikommen. Wer eine Veranstaltung plant, sollte sich also überlegen, ob er sie mit einem Passwort schützt.
Das Zweite ist, sich die Technik vorher genau anzuschauen und für das Meeting vielleicht auch Helferinnen und Helfer zu organisieren. So können Co-Moderatorinnen Leute stumm schalten, wenn etwas passiert.
Ausserdem sollte man sich darauf vorbereiten, so eine Störung im Falle eines Falles mitzuschneiden beziehungsweise aufzunehmen. So sichert man Beweismittel, die dabei helfen, den Attackierenden diese Volksverhetzung nachweisen zu können.
Das Gespräch führte Igor Basic.