Im Café Kardamom oberhalb des Walensees serviert Ibrahim. Er ist ein junger Somalier, der im Asylzentrum Amden wohnt. Die Kaffee- und Teespezialitäten stammen aus fernen Ländern.
Das Café bedient nicht nur exotische Geschmäcker: Hier bekommen die Amdener Dorfbewohner Gelegenheit, allfällige Kritik am Zentrum einem Praxistest zu unterziehen.
Endlich verwirklicht
Das Café ist eine neue Einrichtung im Asylzentrum und lädt zur Begegnung mit Flüchtlingen ein. Bei schönem Wetter kann man hier draussen die Sicht auf den Walensee geniessen. Auch ein Wanderweg führt direkt daran vorbei.
Schon länger habe die Idee für das Café im Raum gestanden, erzählt Stephan Trachsel, Leiter des Asylzentrums. Nachdem sie einen geeigneten Raum dafür gefunden hatten, konnten sie das Projekt endlich verwirklichen.
Das Denken verändern
«Das Spezielle am Café ist, dass es kein spezielles Café ist», sagt Trachsel. Anders als in trendigen, urbanen Cafés bekommt man im Kardamom keinen Macchiato, keinen Cappuccino und keine Gipfeli. Dafür gibt es selbstgemachten Sirup mit Wasser aus der hauseigenen Quelle oder Kräutertee mit Kräutern aus dem eigenen Kräutergarten.
Die angebotenen Leckereien sind Spezialitäten aus den Herkunftsländern der Asylsuchenden. Zum Beispiel albanisches Salzgebäck mit Lauch und Käse.
Trachsel hofft, dass das Café Schwellenängste abbaut. Er ist überzeugt, dass der Austausch mit den Asylsuchenden das Denken verändert.
Der Widerstand war gross
Bevor das Asylzentrum im Januar 2016 eröffnet wurde, gab es grosse Widerstände aus der Bevölkerung. Mehrere Einsprachen musste die Gemeinde abweisen. Die Einwände seien nicht stichhaltig genug und politisch motiviert gewesen. Das Asylzentrum kann 80 Asylsuchende aufnehmen, im Ausnahmefall sogar bis zu 160.
Seither haben sich die Wogen geglättet. Halbjährlich treffen sich Trachsel und die Gemeindemitglieder an einem runden Tisch. Es gebe derzeit keine Reklamationen und die Kommunikation laufe grundsätzlich gut, versichert er.
Das wesentliche Ziel sei jedoch ein anderes. Die Tätigkeit im Café sei eine sinnvolle Beschäftigung für die Asylsuchende, so Trachsel. Beim Umbau des Cafés haben die Flüchtlinge selber Hand angelegt: Die Hocker und Bänke haben sie geschreinert, den Boden neu gelegt und die Kissen genäht.
Früher in christlicher Hand
«Bergruh» heisst der Gebäudekomplex des Asylzentrums. Der Name steht für die Idylle rund um das ehemalige Kurhaus. Während rund 91 Jahren betrieben die Baldegger Schwestern dort das Kur- und Ferienhaus.
Wegen der schwindenden Mitgliederzahl mussten die Schwestern die Bergruh vermieten. Heute konzentrieren sie sich auf ihren Hauptsitz im Luzernischen Seetal.
Respektvolles Nebeneinander
Seit 2016 nutzt der Kanton St. Gallen das Gebäude als Zentrum für Asylsuchende. Den christlichen Einfluss spürt man nicht mehr, die Kreuze im Haus wurden beim Einzug entfernt.
Nachgefragt bei Ibrahim, ob es ihn störe, in einem ehemals christlichen Haus untergebracht zu sein, verneint er. Ihm gefalle, dass hier viele Religionen respektvoll nebeneinander leben. Das kenne er nicht aus Somalia.
Sendung: Sternstunde Religion, 7. Mai 2017, 10 Uhr.