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Streitfrage – Gibt es Gott? Und wenn ja, wozu?
Aus Sternstunde Religion vom 12.03.2023.
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Atheismus vs. Religion Allmächtiger, Grundgütiger: Gibt es einen Gott?

Ein Drittel der Bevölkerung fühlt sich keiner Religion zugehörig. Eine philosophische Debatte über Gottes Existenz und Allmächtigkeit.

Seit den 1970ern verändert sich die Religionslandschaft in der Schweiz und in Europa stark. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Am stärksten stieg in den vergangenen 50 Jahren die Zahl jener ohne Religionszugehörigkeit: von 1.2 auf über 32 Prozent.

Wie dieses knappe Drittel der Bevölkerung über Gott oder andere höhere Mächte denkt, ist unbekannt. Klar ist, dass 15 Prozent der Schweizer Bevölkerung atheistisch eingestellt sind. Aber welche Argumente sprechen für, welche gegen die Existenz Gottes?

Die Krux mit dem Leid

Der Theologe, Philosoph und Physiker Hans-Dieter Mutschler ist überzeugt: Das beste Argument gegen den christlichen Gott ist das Leid auf der Welt. Ein gütiger, gerechter und allmächtiger Gott würde seine Schöpfung nicht leiden lassen.

Mann in gestreiftem Hemd mit Bart und Brille
Legende: Der deutsche Philosoph Hans-Dieter Mutschler ist selbst gläubig und beschäftigt sich viel mit dem Grenzgebiet zwischen naturwissenschaftlichem und religiösem Weltbild. Wikimedia Commons/Barbara Fuchs

Aber ist Gott – gesetzt es gibt ihn – vielleicht gar nicht, wie der Mensch ihn sich ausmalt? Gar nicht allmächtig? Für den gläubigen Mutschler ist das unmöglich: «Was fange ich mit einem Gott an, der nicht imstande ist, uns zu erlösen? Dann kann man ihn gleich abschaffen.»

Kann Gott gar nicht alles?

Der Philosoph Hans Jonas – bekannt für sein Werk «Das Prinzip Hoffnung» – wollte Gottes Allmächtigkeit bestreiten. Und damit eine Lösung auf das Theodizee-Problem bieten, also die Frage, woher das Leiden auf der Welt kommt. So liesse sich erklären, weshalb Gott Katastrophen nicht verhindert: Er kann es schlicht nicht.

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Kann man Gott beweisen? Das Theodizee-Problem und Gottesbeweise
Aus Bleisch & Bossart vom 18.07.2021.
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Wie lässt sich das Leiden auf der Welt erklären, wenn man Gott die Allmächtigkeit nicht abspricht? Ist er grausam? Das würde wiederum seinen Attributen «gut und gerecht» widersprechen.

Oder verstehen wir Menschen die Rationalität Gottes nicht? «Jede Weltanschauung hat einen Pferdefuss. Jener des Atheisten ist die Gerechtigkeit für die Opfer der Geschichte», verteidigt Mutschler.

Die Grenzen der Vernunft

Der Philosoph und Atheist Philipp Hübl zeigt sich davon unbeeindruckt. Natürlich gebe es Leid und Ungerechtigkeit auf der Welt, allerdings: «Wir versuchen durch Technik und andere Möglichkeiten, die Welt immer besser zu machen», so Hübl. Auch wenn nicht alle Menschen gut sind, habe die Gewalt in der Geschichte deutlich abgenommen.

Mittelalter Mann mit kurzem Bart schaut ernst
Legende: Hat Zweifel an der Existenz Gottes: Der Philosoph und Autor Philipp Hübl. Zuletzt erschien von ihm das Buch «Die aufgeregte Gesellschaft: Wie Emotionen unsere Moral prägen und die Polarisierung verstärken». IMAGO/Future Image

Braucht man also irgendwann keinen Gott mehr, der die Grausamkeiten der Menschen in einem Jenseits sühnt, weil die Welt schon gerecht ist? Den Opfern der Geschichte bringt das keine Gerechtigkeit, entgegnet Mutschler.

Bloss, können wir Menschen mit unserer begrenzten Denk- und Vernunftfähigkeit Gott überhaupt denken? Oder verunmöglichen uns die Grenzen der Vernunft, etwas angeblich so Grosses zu erfassen? Für Hübl ist klar: «Mir reicht die Komplexität des Universums. Da muss ich nicht noch ein Rätsel hinzufügen, das man Gott nennt.»

Die Schönheit des Kosmos

Ist es das, was der gläubige Mensch macht: zu den Entitäten der Welt noch eine mysteriöse hinzufügen? Nein, meint Mutschler. Es gebe zwar keine Beweise, aber Hinweise in dieser Welt. Etwa die wunderschöne Ordnung des Kosmos: «Die muss man zwar nicht auf Gott zurückführen. Aber es ist doch merkwürdig, dass der Physiker mit relativ einfachen Gleichungen so viel erklären kann.»

Schönheit und Ordnung beeindrucken einen Atheisten aber nicht: Dem Rätsel der Existenz eines Universums könne man auch bewundernd gegenüberstehen, ohne dass man Annahmen über dessen Ursache treffen müsse, findet Hübel.

Denn: Wenn ein Schöpfer dieses Universum erschaffen hat, wer hat denn diesen Schöpfer geschaffen?

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SRF 1, Sternstunde Religion, 12.3.2023, 10:00 Uhr

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