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«Ich blieb in Auschwitz»: Buchbesprechung von Felix Münger
Aus Kultur-Aktualität vom 27.01.2020.
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Auschwitz-Bericht «Ich muss über das aufklären, was hier geschehen ist»

Der Bericht «Ich blieb in Auschwitz» des niederländischen Holocaust-Überlebenden Eddy de Wind ist erstmals auf Deutsch erschienen – erschütternd und von grossem Wert.

Es ist der 27. Januar 1945. Die Rote Armee befreit das Konzentrationslager Auschwitz. Einer der Häftlinge heisst Eddy de Wind. Er ist bis auf die Knochen abgemagert.

In den Tagen nach der Befreiung kritzelt er seine Erinnerungen an den durchlittenen Horror in ein Notizheft: «Ich muss über das aufklären, was hier geschehen ist.»

Eine der erschütterndsten Schilderungen

De Winds Bericht ist 1946 auf Niederländisch erschienen. Jetzt gibt es ihn erstmals auf Deutsch. Das Buch zählt zu den erschütterndsten Schilderungen von Auschwitz, die von deutschsprachigen Verlagen neu entdeckt wurden und pünktlich zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz herausgekommen sind.

Eddy de Wind

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Der jüdische Arzt Eddy de Wind (1916-1987) stammte aus Den Haag. 1943 deportierten ihn die Nazis nach Auschwitz. Nach seiner Rückkehr in die Niederlande arbeitete der Holocaust-Überlebende als Psychiater.

Sein 1946 erstmals auf Niederländisch erschienene Auschwitzbuch ist zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers in über 20 Sprachen übersetzt worden.

Im Viehwaggon nach Auschwitz

Der jüdische Arzt Eddy de Wind ist 27-jährig, als ihn die Nazis 1943 nach Auschwitz deportieren. Im Viehwaggon. Zusammen mit seiner Frau Friedel.

Selektion an der Rampe. Die beiden werden nicht in die Gaskammer geschickt. Aber getrennt. Eddy landet im Arbeitslager, Friedel in einem Block, in dem die Nazis an Frauen medizinische Versuche durchführen.

Nur der Tod als Befreiung

Die beiden schaffen es, den Kontakt zueinander zu halten. Sie sprechen sich Mut zu, den Mut der Verzweifelten: ausharren, durchhalten, irgendwie. Und sie überleben. Was an ein Wunder grenzt.

Denn, so schreibt de Wind über das Lager: «Wir wissen, dass nur ein Ende für uns vorgesehen ist, nur eine Befreiung aus dieser Stacheldrahthölle möglich ist: der Tod.»

Ohne Schminke erzählt der Arzt vom täglichen Horror in der Hölle von Auschwitz. Von jenem Ort in Polen, der längst zur Chiffre geworden ist für das Monströse des Naziterrors schlechthin. Wo Menschen anderen Menschen aus rassistischem Wahn das Recht absprachen, Menschen zu sein – sie schlugen, folterten, töteten.

Die Gewalt ist allgegenwärtig

«Im Küchenblock Gebrüll. Der Unterscharführer hatte gerade einen Russen erwischt. Es hatte ihm nicht genügt, den Russen blutig zu prügeln, er hatte sich auch gleich noch ein paar Köche und den Pförtner vorgeknöpft. Die Stimmung im Küchenblock war an diesem Morgen alles andere als herzlich.»

Die Sprache des Berichts ist oft ungelenk. Und der gelegentlich aufblitzende Galgenhumor wirkt eher unbeholfen. Es ist jedoch gerade diese Art des Erzählens, die den Bericht so authentisch macht: Er lässt Leserinnen und Leser erahnen, dass im Grunde Unsagbares erzählt wird – beispiellose Vorgänge, die zu grässlich sind, um in Worten Platz zu finden.

Das Grauen stets vor Augen

«Was man sieht, ist die Flamme, die ewige Flamme, die aus dem Schornstein des Krematoriums lodert. Tag und Nacht dieses Feuer, und ständig ist einem bewusst, dass dort Menschen verbrannt werden. Menschen wie man selbst, mit einem Gehirn und einem Herz, welches das Blut durch ein endloses Adernetz pumpt.»

Von seiner Frau Friedel erfährt Eddy von den gynäkologischen Experimenten der Nazi-Ärzte. Da habe beispielsweise eine Frau mit Namen Ans eine rätselhafte Spritze bekommen, nun habe sie «schreckliche Bauchschmerzen». «Was in diesen Spritzen war, wusste man nicht, nur dass es nicht Gutes war.»

Verlässliches Zeugnis für uns Nachgeborene

Eddy de Winds Aufzeichnungen sind bisweilen so grauenhaft, dass man beim Lesen innehalten muss. Entsprechend tief ist am Ende der Lektüre die Dankbarkeit darüber, dass Eddy und Friedel die Hölle von Auschwitz überlebten.

Über 1,1 Millionen andere hatten dieses Glück nicht. An sie erinnert der Bericht dieses Augenzeugen, der zeitlich aus nächster Nähe erzählt.

Sie enthebt die Schilderung jeglichen Verdachts, getrübt zu sein durch die sich wandelnden Erinnerungen. Aufgrund seiner sowohl zeitlichen als auch sprachlichen Unmittelbarkeit ist der Bericht enorm wertvoll – als überaus verlässliches Zeugnis für uns Nachgeborenen.

Buchhinweis

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Eddy de Wind: «Ich blieb in Auschwitz. Aufzeichnungen eines Überlebenden, 1943-45.» Aus dem Niederländischen von Christiane Burkhardt. Piper, 2020.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 27.1.2020, 8:20 Uhr

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