«Es war ein Bauchgefühl. Bald habe ich gemerkt: Ich fühle mich so zu Hause in den Niederlanden, dass ich mir nicht vorstellen kann, zurück in die Schweiz zu gehen», erzählt Eliane Fankhauser. Sie kam vor zehn Jahren als Studentin in die Niederlande, studierte mehrstimmige Mittelaltermusik und wurde zu einer Expertin auf dem Gebiet.
Eliane Fankhauser ist eine von rund 771'000 Eidgenossinnen und Eidgenossen, die zurzeit im Ausland leben. «Mein Blick auf die Schweiz hat sich verändert – auf mehreren Ebenen. Das Land, die Natur, wie sauber die Schweiz ist. Wie gut alles funktioniert», sagt Fankhauser, die inzwischen als Projektleiterin in einem Software-Unternehmen arbeitet.
Die Gründe, dass Menschen wie Eliane Fankhauser auswandern, sind vielfältig. Früher zogen die Engadiner Zuckerbäcker nach Italien, da es daheim keine Arbeit gab. Bauernfamilien fanden im 18. und 19. Jahrhundert in den USA in «New Bern» oder in «New Glarus» eine neue Existenz und Heimat.
Heute werden die Auswandernden meist mit einem interessanten Job-Angebot ins Ausland gelockt, sagt Ariane Rustichelli, Geschäftsführerin des Auslandschweizer-Sekretariats mit Sitz in Bern.
Ist die Schweiz zu teuer?
Obwohl die meisten Auslandschweizerinnen im EU-Raum leben, sei momentan ein kleiner Trend Richtung Asien zu erkennen: «Einerseits aus beruflichen Gründen, aber es wandern auch Pensionierte aus, die ihr ganzes Leben lang in der Schweiz gelebt haben. Zum Beispiel nach Thailand – aus finanziellen Gründen und weil es dort viel Respekt für ältere Personen gibt.»
Finanzielle Gründe spielen auch für die (Nicht-)Rückkehr in die Schweiz eine wichtige Rolle: «Wenn man etwa im Sozialsystem eines EU-Landes eingetragen ist, kann das bei der Rückkehr in die Schweiz Probleme geben. Man hat eine Lücke in der Schweizer Versicherung und die Rückkehr ist finanziell nicht mehr interessant», erklärt Rustichelli.
Auch wenn sie aus verschiedenen Gründen nicht mehr zurück in die Schweiz wollen oder können: Am politischen Geschehen haben die Meisten Interesse.
Auch Eliane Fankhauser. Sie stimmt ab, informiert sich. «Weil ich mich immer noch zu zehn Prozent als Schweizerin fühle und weil es für mich die einzige Möglichkeit ist, am demokratischen Gedanken teilzuhaben. Ich fände es schade, wenn ich als Schweizer Bürgerin nicht Teil der Schweizer Demokratie wäre», sagt sie.
Stimmrecht erst seit 1966
Zurzeit sind rund 180'000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer stimm- und wahlberechtigt. Dies war jedoch nicht immer möglich.
Die Existenz der «Fünften Schweiz» wurde zwar am 16. Oktober 1966 in der Bundesverfassung verankert – im Artikel 45 (heute Auslandschweizer-Artikel 40). Das Aufenthalter-Stimmrecht trat aber erst Anfang 1977 in Kraft: Wer in der Heimat war, durfte an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen. Das Stimm- und Wahlrecht aus dem Ausland per Brief folgte dann 1992.
2015 wurde der erste Auslandschweizer in den Nationalrat gewählt: Diplomat Tim Guldimann mit Wohnsitz in Berlin. Doch bereits zwei Jahre später quittierte er seinen Dienst. Es sei schwierig, in einem Milieu zu leben und in einem anderen Milieu Politik zu machen, war seine Begründung für den vorzeitigen Rücktritt.
Aktuell ist kein Auslandschweizer und keine Auslandschweizerin im Parlament vertreten. Doch die Fünfte Schweiz nimmt politisch Einfluss über den Auslandschweizerrat – auch bekannt als «Das Parlament der Fünften Schweiz».
Befugnisse hat der Rat zwar keine, er ist eine Lobby-Organisation. 140 Personen zählt er. 20 davon sind Inland-Mitglieder, die auch im Schweizer Parlament vertreten sind. Die andern 120 leben im Ausland – verteilt auf alle fünf Kontinente.
Auslandschweizer sind weltoffener
Zum Beispiel Franz Muheim. Er ist in St. Gallen aufgewachsen, seine Hobbies sind typisch schweizerisch: Wandern, Velofahren und Schwingen. Seit 1999 lehrt und forscht der Professor für Teilchenphysik an der University of Edinburgh in Schottland. Daneben ist der im Vorstand der ASO – der Auslandschweizer Organisation – und seit sieben Jahren im Auslandschweizer-Rat.
Er kennt die Probleme und Eigenschaften der Fünften Schweiz. «Wir Auslandschweizer ticken ähnlich wie die Schweizer. Wir wählen auch ähnlich, mit einem Unterschied: Die Auslandschweizerinnen und -schweizer sind weltoffener. Das ergibt bei den Wahlen etwa eine zehnprozentige Verschiebung von der SVP hin zu SP oder den Grünen.»
Als wichtigstes Anliegen der Fünften Schweiz sieht er die geregelte Beziehung zu Europa. 63 Prozent der Auslandschweizer leben in der EU (inkl. Grossbritannien). Aktuell engagiert sich der Auslandschweizer-Rat ausserdem für eine möglichst solide und lückenlose Altersvorsorge für alle Auslandschweizer und einen lückenlosen Zugang zum Bankensystem.
Botschafter der Heimat
Doch man darf nicht vergessen: Das politische Engagement für die Schweiz ist nur eine Facette. Genauso wichtig ist für die ASO-Geschäftsführerin Ariane Rustichelli, dass sich die Auslandschweizer auch in ihrer Wahlheimat bemerkbar machen.
Sie ist überzeugt: «Die Schweizer im Ausland sind eine wichtige Komponente für die Schweiz. Sie haben ein riesiges Netzwerk und machen Werbung für die Schweizer Werte im Ausland.»