Ein kleiner, quadratischer Holztisch. Auf dessen Platte projiziert: Comic-Zeichnungen und einzelne Sätze aus dem Tagebuch von Anne Frank. Da geht's ums Verliebtsein, den ersten Kuss, die Menstruation. Die Botschaft ist klar: Anne Frank – ein ganz normaler Teenager.
Der kleine Holztisch steht in der Ausstellung «Anne Frank und die Schweiz», die derzeit im Landesmuseum Zürich zu sehen ist. Konzipiert wurde sie vorrangig für junge Menschen. Zu empfehlen ist sie aber allen Altersgruppen.
Ferien in der Schweiz
Die Ausstellung thematisiert den familiären Bezug, den Anne Frank zur Schweiz hatte. Ihre Tante sowie ihre Grossmütter lebten hier. Noch bis 1936 konnte Anne Frank die Ferien regelmässig in Adelboden und im Engadin verbringen. Auszeiten, an die sie später gerne zurückdachte.
Nach dem Krieg lebte ihr Vater in Basel und Birsfelden. Von der Schweiz aus kümmerte er sich um die Hinterlassenschaft seiner Tochter: Er initiierte Übersetzungen des Tagebuchs, betreute Bühnenfassungen, beantwortete abertausende von Leserbriefen, gründete den Anne-Frank-Fonds.
Verstreut in alle Welt
Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus in Deutschland hatten Anne Frank, ihre Eltern und ihre Schwester Deutschland verlassen. Sie emigrierten in die Niederlande, wo sie später das berühmt gewordene Versteck in einem Amsterdamer Hinterhaus bezogen.
Sämtliche Mitglieder der grossen, weit verzweigten Familie Frank versuchten nach 1933 zu fliehen. Oft scheiterten sie aber an rigiden Einreisebestimmungen, nicht zuletzt an jenen der Schweiz. Und so erzählt die Ausstellung auch von einem Verwandten, der an der Eidgenössischen Grenze abgewiesen wurde – und in Auschwitz umkam.
Flüchtlingspolitik damals und heute
Fragen wie «Was hat die Welt aus der Geschichte gelernt?» oder «Wie geht man heute mit Geflüchteten um?» stellt derzeit auch ein Animationsfilm. «Where is Anne Frank?» zehrt von einem cleveren dramaturgischen Kniff: Das Tagebuch wird lebendig.
Anne Frank hatte ihrem Tagebuch den Namen «Kitty» gegeben. Ihre Einträge überschrieb sie jeweils mit «Liebe Kitty». Im Film nun wird Kitty zu einer Person – zu einer jungen Frau mit roten Haaren, die dem karierten Büchlein entsteigt. Sie weiss nichts vom Schicksal ihrer Schöpferin, weiss nichts von Annes Deportation, von ihrem Tod kurz vor Kriegsende in Bergen-Belsen.
Stattdessen irrt Kitty durchs Amsterdam der Neuzeit, um Anne zu suchen. Finden wird sie Annes Geist erst in einer Unterkunft für Geflüchtete, denen die Ausweisung aus den Niederlanden droht. Dort schliesslich kämpft Kitty um das Vermächtnis von Anne Frank.
Sie macht deutlich: Wem Folter, Gewalt und Tod drohen, dem muss Asyl gewährt werden.
Ende der Zeitzeugenschaft
Der israelische Regisseur Ari Folman erzählt diese Geschichte mit Pathos und einer Animationsästhetik, die Anne Frank und Kitty zu modernen, jungen Menschen macht. Zu Teenagern, mit denen sich Jugendliche auch heute identifizieren können – und das auch sollen.
Denn in einer Phase der Geschichte, in der es kaum noch Zeitzeugen gibt, sind Symbolfiguren wie Anne Frank unabdingbar. Damit das Gedenken an den Holocaust nicht aufhört.