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Autorenschaft angezweifelt Skandal um «Napalm-Mädchen»-Foto: Wer ist der Autor des Bildes?

Das ikonische Foto, das die Wahrnehmung des Vietnamkriegs veränderte, sorgt gerade für Aufsehen. Was ist passiert?

Was ist passiert? Es ist ein mutmasslicher Skandal für die Welt des Fotojournalismus: Im Dokumentarfilm «The Stringer», der am Wochenende am Sundance-Festival Premiere feierte, erzählt ein Fotoredaktor, dass nicht der Fotograf Nick Út, sondern ein lokaler Freelancer – ein sogenannter «Stringer» – Urheber des Napalm-Mädchen-Fotos sei. Dieser soll 20 Dollar und einen Abzug des Fotos als Andenken erhalten haben, während Út den grossen Ruhm erntete. Fotoredaktor Carl Robinson betont, dass er die Bildunterschrift für «The Terror of War» – so der Titel des Bildes – geschrieben habe. Die Entscheidung, dass Út und nicht der Stringer als Autor des Bildes aufgeführt werden soll, soll der damalige Direktor der AP-Agentur in Saigon getroffen haben. Laut Robinson sei es in der Branche schon lange ein offenes Geheimnis, dass das Bild nicht von Út stamme.

Wie kam der «falsche Fotograf» zum Ruhm? Der Film legt unterschiedliche Theorien dar. Einerseits sei es bei Presseagenturen damals gang und gäbe gewesen, dass statt lokalen Freelancern festangestellte Fotografen wie Út die Lorbeeren ernten. Dies habe einen rassistischen Hintergrund: Es soll damals die interne Anweisung gegeben haben, wonach man als Autoren besser nicht die «weirden», sprich «schrägen», Namen der lokalen Freelancer setze. Eine weitere Theorie besagt, dass Horst Faas, der damals der Direktor des AP-Büros in Saigon war, Nick Út aus Loyalität und vielleicht auch Mitleid zum Autor des Bildes machte, weil dessen Bruder im Krieg starb.

Soldat in Tarnuniform mit Helm und Kamera.
Legende: Der vietnamesisch-amerikanische Fotograf Nick Út, eigentlich Huynh Cong Út, war als Kriegsreporter während des Vietnamkrieges im Einsatz. Das Foto «The Terror of War» machte ihn weltberühmt. Keystone/AP Photo

Warum ist die Fotografie so bedeutend? Es ist eine Bildikone, die die Brutalität des Vietnamkrieges zeigt: Am 8. Juni 1972 wurde das Dorf Trảng Bàng von einem Luftangriff getroffen. Verbrannt und nackt floh das neunjährige Mädchen Phan Thị Kim Phúc vor der Napalm-Wolke – das Mädchen wurde als «Napalm Girl» bekannt. Die Fotografie ging rasch um die Welt: Abendzeitungen druckten das Bild, am nächsten Tag war das Bild in der «New York Times» zu sehen. Geschätzt eine Milliarde Menschen sollen das Bild innerhalb von 24 Stunden gesehen haben. Die Veröffentlichung der Fotografie gilt als Wendepunkt in der Wahrnehmung des Vietnamkrieges, die öffentliche Meinung in den USA kippte gegen den Krieg. Bis heute hat sich das Bild ins kollektive Gedächtnis eingeprägt.

Wer galt bis anhin als Autor der Fotografie? Der vietnamesische Fotograf Nick Út, der für die Agentur AP arbeitete, galt bisher als Autor der Fotografie. Das Foto wurde 1972 als «World Press Photo» ausgezeichnet und gewann 1973 gar den Pulitzer-Preis. Út wurde durch das Bild weltberühmt. Auf Anfrage der Filmemacher wollte Út keine Stellung beziehen, drohte jedoch den Filmemachern mit einer Verleumdungsklage. Die AP beharrt auf dem Standpunkt, dass die Fotografie von Út sei.

Wie ist die Beweislage? Die Filmemacher haben Nguyen Thanh Nghe aufgesucht, der der wahre Autor des Bildes sein soll. Er sagt: «Das ist mein Foto.» Nghe realisierte erst mehrere Monate nach der Veröffentlichung, dass «sein Foto» um die Welt ging. Dummerweise hatte seine Frau den Abzug, den er erhalten hatte, weggeworfen. In einer Sequenz des Films rekonstruieren die Filmemacher anhand von Film- und Fotomaterial, wo sich Nick Út und Nghe an dem Tag, an dem die Fotografie gemacht wurde, aufhielten. Nghe, nicht Út, soll sich zum richtigen Zeitpunkt an der Stelle, an dem das Foto gemacht wurde, befunden haben.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 27.1.2025, 16:30 Uhr

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