Bis zu den Schultern sitzen Männer, Frauen und Kinder im heissen Wasser. Ihre Blicke gehen ins grüne Bergtal. Hinter den Hügeln erhebt sich wenige Kilometer weiter der majestätische Vulkankegel von Japans Wahrzeichen Fuji. Seit Urzeiten baden die Japaner zur Entspannung in vulkanischen Thermalquellen, Onsen genannt. In diesem Onsen steigt ein ungewöhnlicher Duft in die warme Luft. «Dieser Geruch ist so angenehm. Aah, ich mag Kaffee», jubelt ein Badegast.
Der Kaffeeduft ist echt: Direkt neben dem Becken läuft das Vulkanwasser durch einen Kaffeefilter. Daraus fliessen jeden Tag 100 Liter frisch gebrühter Kaffee in das Becken. Und stündlich werden die Badenden mit Eimern voller Kaffeewasser zugeschüttet.
«Gib uns Kaffee, gib uns Kaffee», ruft eine Gruppe junger Mädchen in knappen Bikinis im Chor. Als die braune Flüssigkeit ihnen um die Ohren spritzt, kreischen sie vergnügt. Herunterschlucken sollte man den Kaffee besser nicht, das sei kein Trinkwasser, kommentiert Onsen-Mitarbeiterin Mika Okitsu. «Aber durch den Geruch entspannt man sich», erklärt sie. Das Kaffeewasser mache die Haut schön und wärme den Körper auf.
Das heisse Badewasser mit Kaffee-Essenz gehört zu den Attraktionen in diesem Spassbadezentrum zwischen den Hügeln des Kur- und Wanderorts Hakone, zwei Zugstunden westlich von Tokio.
Gemischte Bäder für das jüngere Volk
Es ist ein Erlebnisbad, vor allem für junge Leute, denen die normalen Badehotels mit ihren heissen Thermalwasserbecken zu traditionell und zu langweilig sind. Ausserdem dürfen Männer und Frauen hier gemeinsam baden. Anders als sonst im Onsen trägt man daher Badeanzüge.
Verschiedene Zusätze sollen den Wasserspass steigern. Es gibt ein Becken mit Sake vor einem riesigen Holzfass für japanischen Reiswein. Einige Meter weiter hängt über einem anderen Becken mit dunkelbrauner Flüssigkeit die überdimensionale Nachbildung einer Schokoladentafel. Tatsächlich sitzen die Gäste hier in braun gefärbtem Wasser. «Wir benutzen hier echte Schokolade», betont eine Mitarbeiterin des Yunessun-Bads.
Mit einem Schöpflöffel verteilt sie die Flüssigkeit an die Badenden, die sich damit Haut und Gesicht einschmieren. Hinter einem weiteren Becken hängt eine riesige Teekanne an der Wand, aus der tiefgrünes Wasser fliesst. Es hat die Farbe und den Geruch von grünem Tee. Der erste Eindruck täusche aber, sagt Frau Okitsu: «Wir wollten hier eigentlich echte Teeblätter benutzen, aber das Katechin im Grüntee schwächt die keimtötende Wirkung des Chlors im Wasser.» Da dies dem Bad zu riskant war, benutzt man nun Badesalz mit Tee-Aroma.
Am meisten umlagert ist immer das Bad mit dunkelrotem Wasser. Es scheint aus einer fast vier Meter hohen Rotweinflasche in das Becken zu laufen. Auf dem Etikett der Flasche steht in grossen Lettern «Yunessun Wein seit 2005».
Baden im Wein für schönere Haut
«Ich bekomme Lust auf Wein, wenn ich hier drinsitze», lächelt eine badende Frau glücklich. Ihr Mann ergänzt, wegen dem Wein sei er schon zum zweiten Mal hier: «Dieses Weinbad ist das beste Becken von allen», freut er sich. Wein entspanne und verschönere die Haut, heisst es im Werbeprospekt des Badezentrums unter Verweis auf die ägyptische Königin Kleopatra.
Drei Mal täglich werden jeweils vier Flaschen frisch aufgemachter Wein in das Becken geleert. Dann drängen sich die Badegäste im Wasser und halten ihre Hände auf, um ein paar Tropfen echten Rebensaft zu erhaschen. Aber Frau Okitsku wiegelt ab: «Die Dämpfe machen niemanden betrunken!» Im Vergleich zur Wassermenge sei der Weinanteil klein. Deshalb könnten auch Kinder darin baden.
Aber die Besucher im Yunessun-Erlebnisbad haben auch ohne Alkohol sehr viel Spass an dieser schmackhaften Variante der japanischen Badekultur.