«Ich hatte den Badge, den Presseausweis mit der Nummer 3585» erzählt Beat Soltermann in einem Park in Washington D.C. und zeigt ihn stolz.
«Damit hatte ich Zugang zur Pressetribüne, wo all die Kollegen von CNN, NBC und der New York Times auch waren. Aber ich bin lieber mitten ins Publikum gegangen, zu den Leuten, weil ich dort die viel schöneren Reaktionen und die bessere Stimmung einfangen konnte», erzählt er und zeigt sich immer noch begeistert von der Atmosphäre im Grant Park in Chicago.
«Da war so eine Hoffnung – Tausende von Leuten, die dachten, jetzt geht es voran, jetzt finden wir Lösungen, die das Land so dringend nötig hat.»
Eine schwere Bürde
Lösungen für ein Land, das mitten in einer der widrigsten Existenzkrisen steckte. Als Barack Obama zum 44. Präsidenten der USA gewählt wurde, trat er ein politisches Erbe an, das nicht nur eine grosse Bürde war, sondern vielmehr eine kaum zu bewältigende Last: zwei Kriege, Menschenrechtsverletzungen in Guantanamo und an anderen US-Militärstandorten – und mit der Finanzkrise die grösste ökonomische Katastrophe seit Jahrzehnten.
Beat Soltermann weiss, wovon er erzählt. Als Korrespondent hatte er über die Auswirkungen der Finanzkrise berichtet, über die steigende Zahl von Arbeitslosen, über die ins Mark getroffene Wallstreet, über die vielen Besitzer von Immobilien, die ihre Kredite nicht mehr bezahlen konnten. 2008 war der amerikanische Traum, falls er je existiert hat, geplatzt.
Die Rede – eine Warnung?
Barack Obama wusste, was auf ihn zukommen würde, und neben all der Freude über den Wahlsieg, finden sich in seiner Rede viele warnende Worte.
«Er sagt, der Weg wird lang sein – und will damit sagen, dass man ein so grosses, so vielfältiges Land wie die USA, nicht über Nacht verändern kann. Er liess anklingen, dass man Zeit braucht, dass die Leute diesen Weg mitgehen müssen und dass das von Herzen kommen muss. Und das ist in vier Jahren, vielleicht auch nicht in acht Jahren machbar.»
Wenn Beat Soltermann Bilanz zieht über die Politik Barack Obamas in den letzten acht Jahren, dann spürt man die Distanz des Beobachters aus Europa.
Er kennt das komplizierte demokratische System, in dem der Kongress, der Senat und der Oberste Gerichtshof gewichtige Rollen spielen. Und die beiden Kammern machten es Barack Obama, der sich nur am Anfang auf eine Mehrheit stützen konnte, gewiss nicht leicht.
«Die Republikaner sind von Anfang klar gegen Obama gewesen. Sie wollten verhindern, dass er seine progressive Agenda durchbringt und haben ihn bekämpft, wo sie auch nur konnten. Und so ist es dann passiert, dass in Washington eigentlich nur wenig vorwärts gegangen ist», erläutert Beat Soltermann.
Auch Obama-Care, die Gesundheitsreform, musste er ohne Unterstützung der Republikanischen Partei durchbringen.
Situation im Süden Chicagos wurde schlechter
Vor den Wahlen 2008 hatte Beat Soltermann auch aus den verarmten Vororten im Süden Chicagos berichtet, wo vor allem für die afro-amerikanische Bevölkerung Armut und Hoffnungslosigkeit Alltag sind. Nach acht Jahren wollte er wissen, ob die Ära Obama dort etwas verändert habe, und ging zurück.
«Die Situation ist eher noch etwas schlechter geworden», berichtet er. «Die Häuser sind verfallen, die Leute haben die Hoffnung wieder verloren, weil wenn man in diesem Land ganz unten ist, ist es nicht einfach, wieder hoch zu kommen. Dank Obama gibt es jetzt immerhin Obama-Care, das ist etwas, was der schwarzen Bevölkerung sehr geholfen hat. Aber sonst?»
Fundamentalopposition von zwei Seiten
«Obama hat vieles versucht und ist gescheitert, weil einfach die andere Seite nicht mitmachen, weil man ihm diesen Erfolg nicht zugestehen wollte», beschreibt Beat Soltermann ein politisches Klima, an dem Barack Obama nicht unschuldig war.
«Er hat vielleicht zu wenig gemacht, um wirklich auf die andere Seite zuzugehen. Er hat sehr starke Überzeugungen und weiss was er will, das ist ja auch gut bei einem Präsidenten, aber es ist eben auch wichtig, dass man die andere Seite mit an Bord nimmt», meint er und beschreibt Obamas Politikstil als etwas zu akademisch, als etwas zu «von oben herab.»
Das verwundert bei einem Politiker, der eigentlich Brücken bauen und die geteilte Nation vereinen wollte. Und nach acht Jahren, unter dem neuen Präsidenten Donald Trump, scheint der Graben, der das Land teilt, noch tiefer geworden zu sein.
«Yes, we can?»