Alois Hitler, der Vater von Adolf Hitler, war alles andere als ein Sympathiebolzen. Streng, pedant und sehr unzugänglich, erinnerten sich Arbeitskollegen Jahre nach dem Tod Alois Hitlers 1903. Eindrücke, die der Historiker Roman Sandgruber in der Biografie Alois Hitlers offenbart.
Auch Adolf Hitler zeichnet darin ein Bild eines cholerischen Vaters: «Ich habe ihn nicht geliebt, dafür aber umso mehr gefürchtet. Er war jähzornig und schlug sofort zu.»
Pfeife rauchen, Bienen züchten, Kinder schlagen
Der Linzer Historiker Roman Sandgruber – ein profunder Kenner der Hitlerschen Familiengeschichte – bemüht sich in seiner Biografie um eine differenzierte Sicht auf Alois Hitler. Dieser stammt, als unehelicher Sohn einer niederösterreichischen Magd, aus armen Verhältnissen. Trotzdem schaffte er eine beachtliche Karriere im österreichischen Staatsdienst.
Die meisten Aussagen über den «alten Hitler» seien recht klischeehaft, resümiert Sandgruber: Pfeife rauchen, im Wirtshaus sitzen, Bienen züchten, Kinder schlagen. Aber mit diesen Klischeebildern allein wird man dem Vater des Diktators nicht gerecht.
Intime Einblicke der Familie Hitler
Das Spektakuläre am Buch: Der Geschichtswissenschaftler kann sich auf eine Reihe neuer Quellen stützen. Darunter ein Bündel von über 30 Originalbriefen, die der alte Hitler 1895 im Zuge eines Hauskaufs an den oberösterreichischen Strassenmeister Josef Radlegger geschrieben hat.
Durch das Briefbündel, das die Zeiten auf einem Dachboden in der oberösterreichischen Marktgemeinde Wallern überdauert hat, werden intime Einblicke publik. So zum Beispiel die finanziellen Verhältnisse der Familie Hitler.
Anderen Menschen überlegen
Besonders aus der Zeit vor 1914 füllen die Briefe Hitlers Wissenslücken: «Da schreibt ein korrekter und im schriftlichen Ausdruck äusserst gewandter Mensch», analysiert Sandgruber. Alois Hitler sei jemand gewesen, der stolz auf seine Bildung war, der aber doch auch eine gewisse Überheblichkeit an den Tag legt, so Sandgruber. Hitler fühlte sich anderen Menschen überlegen.
Eine Eigenschaft, die Alois Hitler mit seinem Sohn geteilt hat. Politisch sei der ehemalige Zollbeamte eine kuriose Mischung: Alois Hitler verstand sich als stramm deutschnational, gleichzeitig sei er auch durch und durch Habsburg-treu. Ein Bewunderer Bismarcks und ein Verehrer Kaiser Franz Josephs gleichzeitig – ein bemerkenswerter Selbstwiderspruch.
Adolf Hitlers Kindheit und Jugend
In Roman Sandgrubers Biographie des «alten Hitler», die zugleich eine Kindheits- und Jugendbiographie Adolfs ist, wird eines ganz besonders deutlich: Die NS-Ideologie hat sich Adolf bereits als Kind und Jugendlicher in Oberösterreich angeeignet. Dazu gehören völkisch-imperialistische Ideen ebenso wie radikal antidemokratische, antisozialistische und antiklerikale Vorstellungen.
Sandgrubers Studie zeigt: Der Nationalsozialismus kam nicht aus dem Nichts. Das gilt für den Werdegang Adolf Hitlers genauso wie für die Biographien zweier anderer berüchtigter NS-Verbrecher. Auch sie haben ihre Jugendzeit, wie Hitler, in Linz verbracht: Ernst Kaltenbrunner und Adolf Eichmann.
Aus dem Nationalismus wird Antisemitismus
Um das Jahr 1900 vollzieht der Deutschnationalismus, der im oberösterreichischen Bürgertum eine feste Bastion hatte, eine folgenschwere Transformation: Die freisinnig-liberalen Tendenzen werden zunehmend von antisemitischem, rassistischem, und militaristischem Gedankengut verdrängt.
Eine Entwicklung, die sich bereits bei Alois Hitler abzeichnet und eine Generation später ins Verbrecherische weitergetrieben wird.