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Eine Schale Müsli mit Beeren, gehalten von zwei Händen.
Legende: Flakes statt Flocken: Das Birchermüesli von heute hat nicht mehr viel mit dem Original zu tun. Imago/Westend61

Bircher-Benners Universum Ordnung, Sonnenlicht – und Müesli

Max Bircher-Benner würde heute 150 Jahre alt. Sein Müesli ist heute Standard beim Zmorge – seine Ideen aber strittig.

  • Am 22. August 1867 kam Max Bircher-Benner, der Erfinder des Birchermüeslis, zur Welt.
  • Doktor Bircher-Benner glaubte, seine «Spys» aus Äpfeln, Haferflocken und Kondensmilch spende Lebenskraft und heile Kurpatienten.
  • Unter Wissenschaftlern war Bircher-Benner umstritten. Und: Seine Naturheilkunde knüpfte auch an Ideen der Nationalsozialisten an.

Was heute in jedem Supermarkt als Birchermüesli verkauft wird, hat mit der Erfindung von Dr. Maximilian Oskar Bircher-Benner nicht mehr viel gemeinsam.

Während es heute Müesli mit Rahm, Kokosraspeln oder Schoko-Splitter gibt, war die ursprüngliche Rezeptur bedeutend bescheidener: ein Esslöffel eingeweichte Haferflocken, Zitronensaft, Nüsse und ein oder zwei Äpfel, geraffelt mit Kernen und Gehäuse.

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Birchermüesli (Thomas Weibel)
aus 100 Sekunden Wissen vom 31.07.2016. Bild: Flickr/mpellegr
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Der einzige Luxus war ein Esslöffel gezuckerte Kondensmilch. Bei der damals noch nicht pasteurisierten Frischmilch wäre das Tuberkuloserisiko zu hoch gewesen.

Lebenskraft durch Rohkost

Der am 22. August 1867 in Aarau geborene Max Bircher interessierte sich schon als Kind für Medizin. Während seines späteren Studiums war es vor allem die Naturheilkunde, die ihn faszinierte.

Durch seine Tätigkeit als Arzt im Zürcher Industriequartier war er täglich mit der Mangelernährung bei Arbeitern konfrontiert. Doch auch gutbürgerliche Familien, die viel Fleisch assen, ernährten sich Birchers Ansicht nach falsch.

Pflanzliche, unbearbeitete Rohkost, die bei ihrem Wachstum viel Sonnenlicht aufgenommen hatte, enthielt laut Birchers Theorie sogenannte «Lichtquanten». Durch deren Aufnahme gewinne der menschliche Körper an Lebenskraft.

Einfach nur «d’Spys»

Endgültig überzeugt von dieser Idee wurde Bircher, als er sich von einer Gelbsuchterkrankung innert Tagen erholte – offenbar dank seiner sogenannten «Apfeldiätspeise». Diese habe fast denselben Nährstoffgehalt wie Muttermilch, war er überzeugt.

Max Bircher-Benner, um 1937.
Legende: Esoterischer Spinner oder prophetischer Geist? Max Bircher-Benner. Getty Images

Ab 1895 verabreichte er das Mus, das er einfach nur «d’Spys» nannte, dreimal täglich den Patienten in seiner eigenen Privatklinik und von 1904 an in seinem Sanatorium «Lebendige Kraft» in bester Lage über dem Zürichsee.

Ordnung auf dem Zauberberg

Bircher verstand Krankheit primär als Unordnung. Folglich unterzog er seine Patienten neben der Rohkostdiät auch einer sogenannten Ordnungstherapie. Die begann mit einem Spaziergang vor dem ersten Müesli, dann folgte ein Programm mit körperlicher Ertüchtigung, Liegekuren und Luftbädern. Der Dichter Thomas Mann, der sich hier zu seinem Roman «Zauberberg» inspirieren liess, sprach von einem «hygienischen Zuchthaus».

Am rechten Rand der Wissenschaft

Bircher hatte mit seiner Frau Elisabeth Benner sieben Kinder, von denen mehrere in der Klinik mitarbeiteten. Schon früh wurde er von der Zürcher Ärzteschaft ausgeschlossen. «Herr Bircher hat die Grenzen der Wissenschaft verlassen», hiess es im Jahr 1900 von Seiten der Zürcher Ärztegesellschaft als Begründung für den Rausschmiss.

Ganz anders sahen das Anfang der 1930er-Jahre die vom Nationalsozialismus geprägten Mediziner der «Neuen Deutschen Heilkunde». Bircher hatte deren Ausrichtung an einer von der Natur geprägten Lebensweise mehrfach gepriesen. Mit dem deutschen Reichsärzteführer Gerhard Wagner verhandelte er über eine Professur am Rudolf-Hess-Krankenhaus in Dresden.

Birchermüesli – ein urschweizerisches Rezept

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Zu gesund für Hitlers Anhänger

Die Berufung scheiterte schliesslich – laut seinem Sohn Ralph aus gesundheitlichen Gründen und weil Bircher seine Freiheit nicht gefährden wollte.

Tatsächlich ging es aber eher um finanzielle Fragen und den Widerstand von Hitlers Rasse-Hygienikern. Diese befürchteten allen Ernstes, Birchers Kost würde kranke Individuen in die Lage versetzen, erbkranken Nachwuchs zu zeugen.

1939 starb Bircher 72-jährig in Zürich an einem Herzinfarkt. Seine Söhne Franklin und Willy übernahmen die Leitung des Sanatoriums, das auf den Zürichberg verlegt wurde.

Heute: Super-Zerealien und Zuckerbombe

In der «Bircher-Benner-Privatklinik» wurde noch hunderten zumeist wohlhabenden Patientinnen mit ganzheitlichen Methoden und der «Spys» der Weg in eine gesunde Zukunft gewiesen – bevor die Klinik wegen mangelnder Auslastung 1994 endgültig die Tore schloss.

-Benner

Was bleibt, ist das Birchermüesli. Oder eben unsere modernen Versionen davon: Von der Knuspermüsli-Zuckerbombe bis hin zu mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherten «Functional Food»- Frühstückszerealien.

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